Uwe Altrock

Neue Träger - bessere Denkmale?

Das Gutachten von Hoffmann-Axthelm zur Entstaatlichung der Denkmalpflege als Beispiel fragwürdigen Methodeneinsatzes

1. Einführung

Mit ihrer Anhörung zum Thema Denkmalschutz hat die bündnisgrüne Kulturpolitikerin Antje Vollmer im Frühjahr dieses Jahres eine kontroverse Debatte ausgelöst, die bisweilen ihren eigentlichen Ausgangspunkt in den Hintergrund treten ließ: die Suche nach Möglichkeiten einer veränderten Trägerschaft für Denkmalschutz und Denkmalpflege. Das diesbezüglich bei Dieter Hoffmann-Axthelm in Auftrag gegebene Gutachten wurde mit seinen provozierenden Thesen zum Stein des Anstoßes. Von Gottfried Kiesow, dem Vorsitzenden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, ob seiner „absurden Folgerungen" geradezu reflexhaft geschmäht und zurückgewiesen, dagegen mit Antje Vollmer von einer einflußreichen Vertreterin der Regierungskoalition auf Bundesebene im Nachgang zur Anhörung mit dem Eindruck „Hoffmann-Axthelm hat mehr Recht als Unrecht" geadelt, scheint der beabsichtigte Denkanstoß derzeit zu verebben. Führt man sich jedoch die Intensität der Auseinandersetzung zwischen Denkmalschutz und Investitionstätigkeit in jedem Einzelfall vor Augen, wird unmittelbar die gesellschaftliche Sprengkraft einer Relativierung der staatlichen Verantwortung für die Bewahrung von Kulturgütern deutlich. Um zu gewährleisten, daß das von Hoffmann-Axthelm verfaßte Gutachten nicht leichtfertig für eine Unterminierung des Denkmalschutzes durch Interessengruppen instrumentalisiert wird, ist es erforderlich, dieses genauer zu analysieren. Daß dabei inhaltlich die Vertreter der etablierten denkmalschützerischen Tradition zu einem ablehenden Ergebnis kommen, ist nicht weiter verwunderlich, aber argumentativ insofern kaum hilfreich, als es die Gegner des derzeitigen Denkmalschutzbetriebs als lobbyistische und reformunfähige Verteidigungshaltung der Denkmalschutzprofession zu attackieren wissen. Bedeutsam ist neben dem inhaltlichen Schlagabtausch zwischen Hoffmann-Axthelm und seinen Gegnern, in dem die Positionen wohl inzwischen hinreichend ausgetauscht sind, eine weitere intensive Diskussion aber durchaus verdienen würden, eine Prüfung der Argumentationsweise Hoffmann-Axthelms, zu der die folgende Analyse der von ihm angewandten Methode beitragen soll.

2. Methodische Anforderungen an Gutachten im Feld der Stadtentwicklungspolitik

In der politischen Entscheidungsvorbereitung herangezogene Gutachten lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen. Die erste enthält diejenigen Gutachten, die auf standardisierten, naturwissenschaftlich begründeten Meß- und Schätzmethoden aufbauen. Die zweite umfaßt dagegen diejenigen Gutachten, die sich die Erfahrung des Gutachters in quantitativ kaum faßbaren Situationen gravierend unvollständiger Information zunutze machen und mithin ihre Schlüsse auf subjektive Einschätzungen stützen. In der Stadtentwicklungspolitik, zu der das hier diskutierte Thema des Denkmalschutzes im weiteren Sinne zählt, bilden Altlastenuntersuchungen oder Tragfähigkeitsanalysen für die Ansiedlung von Einzelhandelseinrichtungen typische Beispiele. Die zweite Gruppe zerfällt u.a. in Rechtsgutachten, Prognosen und Gestaltungsempfehlungen. Während die Gutachten der ersten Gruppe aufgrund der Standardisierung ihrer Methoden zumindest grundsätzlich durch Wiederholung der zugrundegelegten Verfahren auf ihre Plausibilität geprüft werden können, entziehen sich die der zweiten Gruppe dieser Form der „Objektivierung". Das hier betrachtete Gutachten ist der zweiten Gruppe zuzurechnen.

Die an sie angelegten Qualitätskriterien sind Transparenz und Rationalität. Unter Transparenz ist, analog zur Angabe der Meß- und Schätzmethode sowie ihrer Ergebnisse bei den Gutachten der ersten Gruppe, die Nachvollziehbarkeit des im Gutachten vorgenommenen Abwägungsvorgangs durch zumindest ansatzweise Präsentation des relevanten empirischen Materials und des Bewertungsverfahrens zu verstehen. Mit Rationalität wird die plausible Ableitung der gutachterlichen Empfehlungen aus diesen Grundlagen bezeichnet. Dazu zählt erstens der Umgang mit der unvollständigen Information selbst, der sich in möglichst schlüssigen Grundannahmen niederschlägt. Zweitens ist vom Prüfvorgang Vollständigkeit zu fordern (Berücksichtigung eines hinreichend breiten Satzes von Alternativen einschließlich der Null-Alternative, Einbeziehung aller relevanten Voraussetzungen und Folgen in die Prüfung). Drittens schließlich muß sich die Argumentation selbst durch hinreichende Schlüssigkeit (stringente Anwendung eines angemessenen Bewertungsverfahrens) auszeichnen.

Daß diese Qualitätskriterien häufig nicht eingehalten werden, zeigt das geflügelte Wort vom „Gefälligkeitsgutachten", das ausdrückt, daß insbesondere in der methodischen Unschärfe, die die Gutachten der zweiten Gruppe kennzeichnet, durch eine subtile Verletzung von Qualitätsanforderungen fragwürdige Resultate produziert werden können, die vorrangig der Legitimation politischer Entscheidungen dienen. Eine Entlarvung ist dennoch genau wegen der methodischen Unschärfe nicht immer leicht. Im folgenden soll das hier behandelte Gutachten auf die benannten methodischen Kriterien untersucht werden.

3. Kurzüberblick über die Inhalte des Gutachtens

Da das Gutachten bisher keine weite Verbreitung gefunden hat, sollen die Kernaussagen zum Verständnis zusammenfassend vorgestellt werden. Hoffmann-Axthelm geht davon aus, daß Denkmalpflege zugleich segensreich und autoritär handelt. Ihre Wurzeln im bürgerlich-obrigkeitlichen Staatsverständnis des 19. Jahrhunderts - das aber gleichwohl von einem Bündnis zwischen Staat und Kultur und historischem Bewußtsein des Bürgertums gekennzeichnet gewesen sei - hätten die Denkmalpflege in einer sich radikal wandelnden Gesellschaft in eine Krise gebracht. Dabei sei sie heute in der Praxis wegen der differenzierten Eigentümerstruktur und deren politischer Macht sozial unausgewogen und bringe wegen ihres hoheitlichen Charakters willkürliche und bisweilen sogar politische Entscheidungen hervor. Die Ausdehnung des Denkmalbegriffs habe zu selbstzerstörerischen Formen der denkmalschützerischen Tätigkeit geführt, die gesellschaftlich weder kommunizierbar noch finanzierbar seien. Durch neue Trägerformen mit stärker bürgerschaftlichen Elementen lasse sich zumindest eine Reduzierung dieser Mißstände herbeiführen, die zu einer Reduzierung des Denkmalbestands führe, dabei aber die Chance biete, daß die verbliebenen Denkmale größere gesellschaftliche Wertschätzung genießen.

4. Prüfung des Hoffmann-Axthelm-Gutachtens auf seinen Methodeneinsatz

4.1 Transparenz

Die Kritik an der hergebrachten Organisation von Denkmalpflege und Denkmalschutz beschränkt sich bei Hoffmann-Axthelm auf konstatierende Anmerkungen, die für Außenstehende kaum darauf geprüft werden können, ob sie die Realität zutreffend wiedergeben. Dabei soll die fachliche Expertise Hoffmann-Axthelms gar nicht in Zweifel gezogen werden. Bereits in den einleitenden Anmerkungen wird allerdings eine für das Gutachten konstitutive Einschätzung abgegeben, die in ihrer Unschärfe ohne tiefergehende Analyse unangreifbar bleibt, ohne hinreichende Belege für die Relevanz des dahintersteckenden Problems zu geben:

„Es gibt einerseits eine Denkmalpflege, die unermüdlich gegen kühl rechnende Investoren und kulturlose Stadtparlamente unsere alten Städte erhält. ... Und es gibt andererseits eine autoritär organisierte, rechthaberische, diskussionsunfähige Denkmalpflege, die mehr Porzellan zerschlägt als sie kittet. ... Es zeigt sich aber schnell, daß es unmöglich ist, zwischen dieser und jener Denkmalpflege eine überzeugende Trennlinie zu ziehen. ... Absicht des Gutachtens ist herauszufinden, ob die Schizophrenie der gegenwärtigen Denkmalpflege zu ändern ist." (S. 1)

Sieht man einmal von einer Infragestellung der Voraussetzungen ab, die zu diesen Feststellungen geführt haben, bleibt zu prüfen, inwieweit die in ihnen formulierten Ziele durch das Gutachten explizit erreicht werden. Dabei fällt auf, daß als Mißstände identifizierten Merkmale des Denkmalschutzes (soziale Unausgewogenheit, „Gesinnungsdenkmalpflege", „politische Denkmalpflege"; „Überdehnung des Denkmalbegriffs" usw.) nur äußerst implizit auf ihren Bezug zur staatlichen Organisationsform der Denkmalpflege hin analysiert werden. Die Spezifik der Organisationsform, die die Kernaussage des Gutachtens bildet, läßt sich daher in einigen Bereichen nach wie vor bezweifeln.

4.2 Der Umgang mit unvollständiger Information

Dies läßt sich an zahlreichen Beispielen nachweisen und wird von Hoffmann-Axthelm selbst ansatzweise nahegelegt (vgl. S. 7). Im folgenden soll dazu die „soziale Unausgewogenheit" näher betrachtet werden. Hoffmann-Axthelms Argumentation läuft darauf hinaus, daß „Besitzer, die einen Zugriff auf die lokale Politik haben ..., mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen drohen können, ... immer wieder [erreichen], daß Gebäude ... aus der Denkmalliste gestrichen werden" (S. 6), während gegenüber „Privaten ohne politische Einflußmöglichkeiten ... dagegen der Denkmalschutz mit aller erdenklichen Schärfe exekutiert [wird]" (ebd.). Keineswegs soll hier behauptet werden, daß es keine (wirtschafts-)politische Einflußnahme auf den Denkmalschutz gibt. Ohne Schwierigkeit lassen sich zahlreiche Beispiele anführen. Allerdings verkürzt die Argumentation des Gutachtens den Problemkomplex der Zugriffsmöglichkeit auf bauliche Entscheidungen erheblich. Tatsächlich bildet das Dreieck Eigentümer-Politik-Denkmalpflege ein labiles und keineswegs perfektes Kräftegleichgewicht, das sowohl einflußreichen als auch „kleinen" Eigentümern Möglichkeiten an die Hand gibt, in ihrem Bauvorhaben die Denkmalpflege auszuhebeln oder in die Schranken zu weisen. Betrachtet man die bei einflußreichen Eigentümern bedeutenden Umnutzungsüberlegungen beispielsweise für Industriedenkmale aus der Kaiserzeit, so zeigt sich zwar deren politische Thematisierung aufgrund ihrer Größe und damit eine tendenzielle Kräfteverschiebung zugunsten des Eigentümers.

Beim Blick auf die „soziale Ausgewogenheit" ist allerdings zusätzlich zu berücksichtigen, daß eine gewerbliche und eine Wohnnutzung sich insofern grundlegend unterscheiden, als bei einer gewerblichen Nutzung neben den durch denkmalrechtliche Standards erhöhten Baukosten potentiell erhebliche Folgekosten durch verringerte Produktivität des Bestandsgebäudes anfallen, während diese bei einer Wohnnutzung in der Regel in geringerem Maß anfallen. Damit stellt sich die zumindest für die in den Entscheidungsprozeß involvierten Politiker plausible grundlegende Frage, ob für diese Folgekosten nicht denkmalpflegerische Kompromisse die angemessene Antwort darstellen.

Doch auch bei Denkmalen in den Händen der „kleinen Leute" läßt sich die von Hoffmann-Axthelm dargestellte Opferrolle nicht in Reinform aufrechterhalten. Ohne die Politik auf ihrer Seite zu haben, wenden auch die Inhaber kleinerer Denkmale (Bsp. „anonyme Architektur" im Sinne des Gutachtens oder Siedlungsbau der 1920er Jahre) zahlreiche Strategien an, um dem vollständigen Durchgriff des Denkmalschutzes zu entgehen. Dabei kommt ihnen zugute, daß ihre Gebäude im Gegensatz zu den Großstrukturen der einflußreichen Eigentümer weniger im Blickfeld der Politik und der baurechtlichen Überwachung stehen. Dies führt zur inflationären Auswechslung von Bauteilen kurz vor der Unterschutzstellung, dem Innenumbau vor der Besichtigung und dem Aufmaß der Denkmalpflege, der Herausbildung von Kompromißstandards mit der Denkmalpflege, wenn diese von den geringen finanziellen Möglichkeiten der Eigentümer Kenntnis hat (Einbau von Dachfenstern auf der straßenabgewandten Seite von Wohnhäusern, Anbringung von Satellitenantennen) und vielen anderen Entwicklungen, die das Bild Hoffmann-Axthelms vom „Durchregieren der Denkmalpflege bis in den letzten Klingelknopf" ausdifferenzieren.

Wie am Beispiel der „sozialen Unausgewogenheit", so läßt sich auch für die übrigen Probleme der Denkmalpflege zeigen, daß das Gutachten weder die behandelten Phänomene immer in ihrer Vielschichtigkeit darlegt noch zeigt, daß die durchaus berechtigten Kritikpunkte auf die staatliche Organisationsform zurückzuführen sind. Kritik an einer geradezu polemischen analytischen Verkürzung läßt sich insbesondere an einigen Passagen des Kapitels über das Verhältnis von Ästhetik und Obrigkeitsstaat anbringen, ohne daß dies an dieser Stelle im Detail ausgeführt werden kann.

Die Vermutung liegt nahe, daß die Denkmalpflege keineswegs durchweg derart autoritär-bürgerfern handelt, wie es Hoffmann-Axthelm darstellt. Ergänzend wäre die Frage zu diskutieren, ob beobachtbare Versuche einer Herauslösung der Denkmalpflege aus dem politischen Entscheidungsprozeß wirklich Kennzeichen einer autoritären Verankerung und Tradition der Denkmalpflege darstellen oder im Rahmen des oben beschriebenen Kräftegleichgewichts den Versuch der Denkmalpflege darstellen, eine Verhandlungsposition aufzubauen, die es mit denen der Eigentümer und Politiker wenigstens ansatzweise aufnehmen kann. Aus der Beantwortung dieser Frage ließen sich möglicherweise Rückschlüsse auf veränderte Trägerschaften für die Denkmalpflege ziehen, die in eine ganz andere Richtung als die des Gutachtens weisen, von diesem aber gar nicht in Betracht gezogen worden sind.

4.3 Vollständigkeit

Die Kernfrage des Gutachtens nach der Trägerschaft der Denkmalpflege wird gesellschaftlich begründet:

„Was aber ist falsch? ... Das einzige, was ... neu zu überdenken ist ... , sind die radikal veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse. ... Die etatistischen Säulen, die der Methodik der Denkmalpflege zugrundeliegen, sind brüchig. Andere Stützen müssen her, andere Bündnisse und freie, den zurückweichenden Staat ersetzende Träger." (S. 1)

Diese assoziative Parallele zwischen Pluralisierung der Lebensstile, Rückzug des „Obrigkeitsstaats" aus dem gesellschaftlichen Leben und der Forderung nach neuen Trägerformen für intersubjektive Entscheidungsprozesse wie Denkmalschutz und -pflege verkennt mögliche Neubestimmungen der Rolle des Staats und Reformen im Rahmen der bestehenden Trägerschaft. Diese argumentative Verkürzung hallt in der Bilanz der Bundestagsanhörung in Antje Vollmers Worten wider, die „Anhörung [sei] nicht gedacht [gewesen], um dem Denkmalschutz zu seinem Recht zu verhelfen." (Protokollvermerk Barz 03.04.2000)

Trotz der von Hoffmann-Axthelm betonten Einschränkung, „von neuen Lösungen [ist] ... nur so viel [Stimmigkeit zu fordern], daß sie signifikant weniger Unsinn produzieren" (S. 28), bleibt damit die grundlegende Abwägung der neuen Trägerformen schon im Ansatz unvollständig. Weder werden die Möglichkeiten einer Reform der bestehenden Trägerschaft hinreichend in Betracht gezogen, noch wird die obengenannte Forderung an die neuen Träger plausibel belegt. [prüfen] Daß der Staat in einer sich weiter pluralisierenden Gesellschaft eine der wenigen Institutionen ist, die sich gegenüber individualistischen - und damit potentiell auch Denkmale bedrohenden - Argumentationen und Kräften u.U. auf ein hinreichendes Maß an Legitimation stützen können, zeigt nicht zuletzt die Fragilität der politisch agierenden Bürgerinitiativen in den vergangenen drei Jahrzehnten und ihre Abhängigkeit von politischen Konjunkturen, gilt aber gleichermaßen für die von Hoffmann-Axthelm diskutierten Stiftungen, die sich zur Durchsetzung ihrer Ziele neben finanziellen auch auf politische Ressourcen stützen müssen, diese aber nicht aus sich heraus generieren können, wie Hoffmann-Axthelm selbst eingesteht (S. 31 f).

4.4 Schlüssigkeit der Argumentation

Die zentralen Vorschläge Hoffmann-Axthelms bleiben auf der Ebene von Fragen stehen. Dies betrifft zunächst die Eigentumsseite mit einer ganzen Reihe undiskutierter Anregungen: Welche Rechte sollten an neue Eigentümer ehemals öffentlicher Denkmale wie zahlreicher Dorfkirchen abgegeben werden, wenn diese sich die Verantwortung ans Bein binden (S. 30)? Welche Konsequenzen hätte die Stärkung von Stiftungseigentum wirklich (S. 31)? Wie weit sollten Denkmalschutz und -pflege bei anonymer Architektur sowohl hinsichtlich des Gebäudeinneren als auch des Entstehungszeitraums gehen (S. 30)? Auch eine veränderte - stärker entbehördlichte - Supervision wirft ungeklärte Fragen auf, die Hoffmann-Axthelm nicht beantwortet. Gerade der Hinweis auf die Potentiale von Denkmalräten enthält interessante Anregungen, die aber - und hier macht sich Hoffmann-Axthelm mit zeitgeistigen Vorkämpfern einer Entpolitisierung im Rahmen von Verwaltungsreformansätzen gemein - keine Antworten auf den Umgang mit Konflikten und damit dem ureigenen Feld staatlicher Politik bieten (S. 31 f) Ob das von Hoffmann-Axthelm sinngemäß erweiterte Subsidiaritätsprinzip (öffentliche Denkmalpflege, falls kein Bürgerengagement vorhanden ist usw., vgl. S. 32) einem Kernproblem konservatorischer Aktivitäten gerecht wird, nämlich über längere Zeiträume verläßlich sicherzustellen, daß irreversible Zerstörungen vermieden werden, darf bezweifelt werden. Hier liegt auch die Crux der von Hoffmann-Axthelm rhetorisch im Hinblick auf die Finanzierungsproblematik und mögliche private Spenden gestellte Frage „Und was keine Herzen bewegt - wozu sollte es gerettet werden?" (S. 33) Die Hoffnung darauf, daß durch Überzeugung von möglichen Spendern, die dem Untergang von kulturell bedeutsamer Substanz entgegentreten wollen, eine hinreichend fachlich fundierte Denkmalpflege zu betreiben ist, ignoriert Resultate politikwissenschaftlicher wie kulturwissenschaftlicher Forschung gleichermaßen substantiell.

Wenn aber der Kern des Gutachtens darin besteht, neue Trägerformen zu diskutieren und zu identifizieren, genügt der Hinweis auf bestehende Möglichkeiten nicht, um nachzuweisen, daß die neuen Trägerformen tatsächlich zu besseren Ergebnissen führen. Allerdings ist er wohl dazu geeignet, den ohnehin labilen gesellschaftlichen Status der Denkmalpflege weiter zu unterminieren.

„Es ergeben sich Absurditäten, die, auch unabhängig vom staatlichen Rahmen, den Zerfall eines historischen Ansatzes anzeigen und eine Neukonzeption erzwingen, die von der Sache her den Denkraum einer politisch-gesellschaftlichen Neuorientierung mit veränderten Verantwortlichkeiten freimachen." (S. 12).

Interessanterweise vermischen sich in der Argumentation des Gutachtens denn auch Abschnitte, die sich gegen die Staatlichkeit der Denkmalpflege (S. 5 ff: „Die Krise der staatlichen Denkmalpflege") und solche, die sich explizit auf ihre Entwicklung unabhängig von ihrer Trägerschaft richten (S. 12 ff: „Die Selbstzerstörung der Denkmalpflege"). Auf diese Weise ist es Hoffmann-Axthelm möglich, ausgehend von vermeintlichen Problemen der derzeitigen Trägerschaft für eine normative Rekonstruktion der Denkmalpflege mit einem inhaltlichen Bekenntnis einzutreten, das keineswegs geteilt werden muß, aber die Entstaatlichung voraussetzt. Die Hoffnung des Gutachtens auf eine Eindämmung des Denkmalschutzes bedient sich also mit der veränderten Trägerschaft eines Instruments, das im Hinblick auf seine Folgen nur unzureichend reflektiert wird.

Dies wird durch ein weiteres methodisches Grundproblem im Gutachten weiter verschärft. Hoffmann-Axthelm baut seine Argumentation vollständig auf den Zusammenhang der Probleme des Denkmalschutzes mit seiner Staatlichkeit auf, um dann die Entstaatlichung und „Demokratisierung" als zwangsläufig für eine bessere Denkmalpflege zu identifizieren und dabei über die Voraussetzungen demokratischer Teilhabe an politischen Entscheidungen kommentarlos hinweg zu gehen. Der Verweis auf den Ursprung der Denkmalpflege im vordemokratischen Obrigkeitsstaat kann dabei nur als aussagekräftig angesehen werden, wenn die Denkmalpflege selbst nicht - wie der Staat selbst - als entwicklungsfähig angesehen wird. Genau diese Entwicklungsfähigkeit belegt Hoffmann-Axthelm allerdings anhand zahlreicher Beispiele, die das veränderte materielle Interesse und die veränderten Methoden der Denkmalpflege betreffen. Im Widerspruch stehen dabei die Ausgangsziele des Autors, u.a. eine Neukonstruktion der Denkmalpflege ohne die Mittel der staatlichen Reglementierung des gewöhnlichen privaten Bauens (S. 6), und die Empfehlungen, die die Existenz einer Denkmalliste und damit gerade das Instrument staatlicher Reglementierung gar nicht in Frage stellen.

Das Gutachten treibt schließlich die Verkürzung seiner Argumentationsweise auf die Spitze, wenn es anregende, aber nur schwer nachvollziehbare Kriterien für die Erhaltungswürdigkeit benennt (S. 20 ff). Das fragwürdige implizit benutzte Verständnis von Geschichte, Kultur und Gesellschaft wird sich erst im Diskurs messen müssen, taugt aber unhinterfragt nicht für ein verantwortungsbewußtes „Rütteln" am Trägersystem der Denkmalpflege.

Vermeintlich bessere Zeiten als Referenz zu betrachten, in denen auch ohne Denkmalschutz Gebäude erhalten wurden, und in ihnen eine „Gesellschaft, die zu einheitlicher Willensbildung fähig ist, ein gewisses vor- und zurückblickendes Geschichtsbewußtsein, das Erreichen eines ausgereiften ästhetischen Niveaus und eine Größendimension, die nicht überboten werden muß, sondern als endgültig akzeptiert werden kann" (S. 20) zu erblicken, wird ebenso gesellschafts- und kulturwissenschaftlichen Widerspruch auslösen wie die Behauptung, es gebe „also nur den einen Erhaltungsgrund, daß es eine Mehrheit der Bürger sich nicht vorstellen kann, ein Bauwerk, das zu ihrer Stadt oder Region gehört, gehe für immer verloren. Hart gesagt, heißt das: was nicht geliebt, wird von ihnen nicht erhalten werden" (ebd.), die überdies in erheblichen Konflikt zur Irreversibilität von Abrissen gerät. Daß es „kein unmittelbareres Maß für Denkmalwert als die Schönheit" (S. 22) gebe, taugt kaum als sinnvolles Kriterium und wird angesichts wechselnden Zeitgeschmacks geradezu verantwortungslos, wenn gefordert wird, „daß man das, was man schön findet, solange erhält, wie es sinnvoll und vertretbar ist" (ebd.). In der Konsequenz folgt daraus eine Umkehrung des Auftrags der Denkmalpflege: Nicht die Bewahrung von baulichen Zeugnissen vor vorschnellen und zeitgebundenen abwertenden Urteilen, sondern die Fokussierung auf das, was für jeden Zeitgeschmack gleichermaßen erhaltungswürdig erscheint, wird zur Meßlatte. Eine Orientierung an dem, was ohnehin konsensfähig ist, kann wohl gerade nicht als kulturelle Leistung erachtet werden. Nicht die Bewahrung von baulichen Zeugnissen vor vorschnellen und zeitgebundenen abwertenden Urteilen, sondern die Fokussierung auf das, was für jeden Zeitgeschmack gleichermaßen erhaltungswürdig erscheint, soll damit zur Meßlatte der Denkmalpflege werden.

5. Fazit

Das hier untersuchte Gutachten weist erhebliche methodische Defizite auf. Diese gehen so weit, daß die Vermutung geradezu nahe liegt, die Ausgangsthese, die Denkmalpflege könne von einer Entstaatlichung nur profitieren, habe durch das Gutachten lediglich bestätigt werden sollen. Das Gutachten liefert eine verkürzte Situationsbeschreibung, in ihrer Wirkung unklare Denkmalkriterien und eine unvollständige Diskussion von Reformalternativen. Der schonungslose Hinweis auf Mißstände und die vielfältigen Anregungen leiden unter einer vorschnellen Indienstnahme für nicht zu Ende gedachte Alternativen. Betrachtet man die Folgerungen des Gutachtens näher, so erfüllen die gemachten Vorschläge gar nicht einmal die großmündig geweckten Erwartungen. Vielmehr handelt es sich teilweise um bedenkenswerte Reformvorschläge, die allerdings auch nüchtern im Rahmen angestrebter Reformen geprüft und diskutiert werden sollten, ohne dabei die Denkmalpflege in Bausch und Bogen zu verdammen.

Eine Weiterentwicklung von Denkmalschutz und -pflege läßt sich evtl. unter Anerkennung der Funktion staatlicher Instanzen als Katalysator, Stabilisator und Speicher kondensierter gesellschaftlicher Diskussions- und Erkenntnisprozesse unter Berücksichtigung der Anregungen des Gutachtens erreichen. Dabei sollten die Problemkreise „Denkmalpflege im politischen Prozeß", „Denkmale und Öffentlichkeit", „Ausbildung und Rekrutierung der relevanten Akteure" sowie „Denkmalpflege als Beratungsinstanz" eine zentrale Rolle spielen. Eine in diesem Sinne umfassend angelegte Diskussion der Trägerschaft wäre verdienstvoll, würde aber vermutlich ein ganzes Spektrum von Ideen produzieren, die nicht zwangsläufig in Hoffmann-Axthelms Richtung weisen.

Eine Neubestimmung der Rolle der Denkmalpflege im politischen Prozeß wird wohl am stärksten daran gemessen werden, inwiefern sie zu den von Hoffmann-Axthelm angedeuteten Problemen Vereinbarkeit von wirtschaftlicher Investition und Denkmalpflege sowie Auslotung angemessener Kompromisses Beiträge leistet. Hier besteht wahrlich Diskussionsbedarf, der sich aber in einer modischen Trägerdebatte kaum erschöpfen wird.