Jon Pierre: Modelle städtischer governance

Besprechung von Uwe Altrock

Zuerst erschienen als:

Jon Pierre: Models of Urban Governance. The Institutional Dimension of Urban Politics, in: Urban Affairs Review, vol. 34, No. 3, Januar 1999, S. 372-396

 

Aufbauend auf der sich seit etwa zwei Jahrzehnten entwickelnden Debatte um new urban politics versucht der Autor eine umfassende und systematische Darstellung städtischer Politik unter dem Gesichtspunkt von governance. Dieser Begriff hat in den letzten Jahren zur Charakterisierung städtischer Politik, die mehr und mehr von einem Zusammenwirken staatlicher und nichtstaatlicher Akteure geprägt zu sein scheint, erheblich an Popularität gewonnen.

Von besonderer Bedeutung für die Stadtentwicklungspolitik sind dabei insbesondere vor dem Hintergrund der Debatte in den USA Netzwerke mit der vor Ort ansässigen Unternehmerschaft. Der Autor geht in seinen Ausführungen davon aus, dass die Ausbildung von governance nicht wertneutral verläuft, sondern politische Wertvorstellungen jenseits von parteipolitischen Konflikten widerspiegelt. Er vergleicht dabei vier Typen städtischer governance, die er mit den Begriffen managementorientiert, korporatistisch, wachstumsorientiert und wohlfahrtsorientiert bezeichnet und die starken Einflüssen der politischen Kultur auf nationalstaatlicher Ebene unterliegen. Darüber hinaus spielen auch die Bereiche der städtischen Politik und die politische Kultur in der jeweiligen Stadt eine Rolle für die Wahl des Typs von governance. Pierre geht insbesondere auf die Rolle von Institutionen im Rahmen der städtischen governance ein. Die verschiedenen von ihm benannten Typen, so Pierre, spiegeln in unterschiedlichen Teilen der Stadtverwaltung tendenziell unterschiedliche vorhandene Wertvorstellungen wider. Mit der Einbeziehung der Wertvorstellungen im Rahmen der Anwendung der Institutionentheorie geht Pierre über bisher vorliegende Analysen von public-private partnership u.ä. hinaus. Der Begriff Institution bezieht sich dabei „auf übergreifende Systeme von Wertvorstellungen, Traditionen, Normen und Praktiken, die politisches Handeln bestimmen oder einschränken". Er ist insbesondere von dem der Organisation zu unterscheiden, obgleich enge Wechselwirkungen zwischen organisatorischem Aufbau beispielsweise von Verwaltungen und den ihnen zugrunde liegenden Wertvorstellungen gerade auf der lokalen Ebene bestehen. Pierre weist insbesondere darauf hin, dass der Institutionenbegriff bislang noch unzureichend auf die Ebene der städtischen Politik übertragen worden und stark von der Analyse von Staaten geprägt ist.

Der Artikel hat zwei Ziele. Erstens versucht er, die institutionelle Dimension städtischer governance aufzuzeigen und dabei präziser zwischen government und governance zu unterscheiden. Zweitens führt er die oben angedeutete Typologie verschiedener Modelle städtischer governance ein. Zusammenfassend beleuchtet er vier Punkte. Erstens betrachtet er governance als einen „Prozess der Verzahnung und Koordination öffentlicher und privater Interessen", die von öffentlichen Organisationen nicht alleine bewältigt werden kann. „Governance ist dabei der Prozess, mittels dessen lokale Behörden in Abstimmung mit privaten Interessen versuchen, kollektive Ziele zu erreichen. Es handelt sich dabei um einen Prozess, der von jenen politischen, ökonomischen und sozialen Wertesystemen geprägt wird, von denen das urbane Regime seine Legitimation ableitet". Städtische governance wird dabei als Austauschbeziehung betrachtet, die Einfluss und Ziele in beide Richtungen über die Grenzen zwischen „privat" und „öffentlich" lenkt.

Zweitens ist trotz stärkerer Berücksichtigung der privaten Akteure das Verständnis der Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand als Schlüsselbeteiligter unverzichtbar, wenn man städtische governance verstehen will. Aus Governance-Sicht ist die Rolle der Lokalregierung im Rahmen von städtischer governance allerdings erst genauer institutionenanalytisch zu untersuchen.

Drittens beschreiben unterschiedliche Typen städtischer governance unterschiedliche Systeme von Wertvorstellungen und Normen. Diese Wertsysteme ziehen unterschiedliche stadtpolitische Entscheidungen und Ergebnisse nach sich. Die formale und tatsächliche Organisation der städtischen governance spiegelt dabei die Wertvorstellungen und Interessen, die für die lokale Gemeinschaft typisch sind. Städtische governance ist eingebettet in ökonomische, soziale, politische und historische Faktoren, die die Austauschbeziehungen zwischen öffentlich und privat prägen.

Viertens verweist er auf die weiterhin bestehende Bedeutung der gesamtstaatlichen Politik und ihrer Traditionen für die politische Ökonomie, stadtpolitische Konflikte und für Strategien lokaler Ressourcenmobilisierung.

Government, governance und Institutionen

Das wiedererstarkte Interesse an politischen Institutionen stellt eine wesentliche Verschiebung in der politikwissenschaftlichen Forschung der letzten Jahre dar. Die neuere Institutionentheorie stellt dabei die Beziehungen zwischen öffentlich und privat und die Handlungsfähigkeit des politischen Systems stärker als früher in den Mittelpunkt. Die zunehmende Bedeutung des Begriffs governance äußert sich in der Analyse von Koordinations- und Regulationsprozessen, in denen die Rolle von government im Governance-Prozess als eine empirische Frage verstanden wird.

Die Schwerpunktverschiebung der politikwissenschaftlichen Forschung von government hin zu governance hat mehrere wichtige Konsequenzen. Sie versucht eine Integration von Regimetheorie sowie Theorien über den lokalen Staat und die städtische politische Ökonomie. Weiterhin thematisiert er die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand unter den jeweils bestehenden Rahmenbedingungen. Eine sorgfältige konzeptionelle Analyse von städtischer governance ist jedoch unerlässlich, wenn man zeigen will, ob und ggf. auf welche Weise dieses Konzept besser zur Analyse städtischer Politik geeignet ist als andere Ansätze. Zusammengefasst betonen Theorien der städtischen governance Ergebnisse eher als formale politische Prozesse und die Interaktionen zwischen privaten und öffentlichen Akteuren eher als formale (rechtliche) Implementation von policies.

Managementorientierte governance

Die managementorientierte Funktion der Lokalverwaltung als öffentlicher Leistungserbringer steht tendenziell im Widerspruch zu ihrer Rolle als Institution des politischen Konfliktmanagements. Die Verwaltungsreformtradition hat deshalb Zyklen hervorgebracht, bei denen jeweils eine der beiden Funktionen stärker Berücksichtigung findet. Dabei hat während der vergangenen zehn bis 15 Jahre die managementorientierte Dimension offensichtlich den Vorrang gegenüber der demokratisch-partizipatorischen Dimension lokaler Verwaltung erhalten. Eine wichtige Schubkraft lag dabei in der finanziellen Krise der öffentlichen Haushalte.

Die entstandenen marktorientierten Konzepte werden üblicherweise unter dem Sammelbegriff „new public management" (NPM) geführt. NPM betont die Notwendigkeit von Wettbewerb zwischen verschiedenen Leistungsanbietern und die Stärkung der Konsumentensouveränität. Nicht mehr städtische Beamte, sondern ein marktähnlicher Austausch zwischen Produzenten und Verbrauchern städtischer Leistungen soll dabei über das Angebot entscheiden. Ein gesteigertes Kostenbewusstsein der Verwaltung und die Professionalisierung der Leistungserbringung sollen dem Misstrauen der Öffentlichkeit und der Politikverdrossenheit entgegenwirken sowie die angespannte Finanzlage entschärfen.

Die erste Herausforderung der managementorientierten governance besteht dabei darin, die Aufgabe der städtischen Wahlbeamten auf die Definition politischer Langzeitziele einzuschränken und innerhalb dieses Rahmens dem marktähnlichen Zusammenwirken von „Produzenten" und Verbrauchern die Ausgestaltung der Details zu überlassen und die Rolle der politischen Kontrolle neu zu definieren. Vertreter des NPM-Ansatzes gehen davon aus, dass ein großer Einfluss der Kunden auf die öffentlichen Leistungen gegeben ist, obwohl die tatsächlich gewählten Funktionsträger durch ihre Wähler für Details zur Rechenschaft gezogen werden, auf die sie gar keinen praktischen Einfluss mehr haben.

Die tendenzielle Ablösung der Fähigkeiten von konventionellen Verwaltungsleuten durch Experten aus dem privatwirtschaftlichen Sektor bedeutet zweitens einen Zusammenstoß zwei völlig unterschiedlicher organisatorischer und professioneller Kulturen, der nicht leicht zu bewältigen ist: Urwerte des öffentlichen Diensts und Managementdenken prallen auf einander.

Drittens ist hohe organisatorische Flexibilität gefragt. Bedarfsrechnungen und Investitionsplanung sind mit großen Unsicherheiten behaftet, und bei sich veränderndem Kundeninteresse werden schnelle Umschichtungen von Ressourcen erforderlich.

Schließlich werden auch die Evaluierungskriterien politischen Handelns durch die Managementorientierung geprägt.

Eine fachliche Beteiligung wird gegenüber der Einbeziehung politischer Eliten betont, und Manager von Organisationen werden zu Schlüsselakteuren. Hauptziel ist die Verbesserung der Effizienz von Herstellung und Vertrieb öffentlicher Leistungen und die Bereitstellung echter Wahlmöglichkeiten für die Kunden hinsichtlich Produkten und Anbietern. Damit soll das Vertrauen in die Verwaltung gestärkt werden. Instrumente sind Verträge mit profitorientierten Unternehmen, neue Rekrutierungsmechanismen, Wettbewerb auch innerhalb der Verwaltung und zwischen öffentlicher Hand und privatem Sektor.

Eine systematische Evaluierung der „Managementrevolution" in der öffentlichen Leistungserbringung ist nicht in Sicht. Managementorientierte governance hat wahrscheinlich dazu beigetragen, die Effizienz der Leistungserbringung zu erhöhen. Bei der Frage nach Effizienz und Wahlmöglichkeiten sind die Ergebnisse wengiger eindeutig.

Korporatistische governance

Das korporatistische Modell der städtischen governance ist typisch für die kleinen demokratischen Industriestaaten Westeuropas mit einer starken etatistischen Tradition. Ein großer öffentlicher Sektor, Umverteilung, umfassende wohlfahrtsstaatliche Leistungen, politische Beteiligung, Verhältniswahlrecht und starke Verbänden sind ihre Kennzeichen. Korporatismus leitet sich dabei aus einer ausgeprägt kollektivistischen politischen Kultur ab.

Korporatistische governance tritt vorrangig im distributiven Bereich der kommunalen Verwaltung auf. Die Interessen der Mitglieder einer Organisation sollen verfolgt werden, doch es besteht überdies eine starke Neigung zu partizipatorischer Demokratie. Dabei werden soziale Gruppen und organisierte Interessen in den lokalpolitischen Prozeß einbezogen. Politische Auseinandersetzung wird als Aushandlungsprozess zwischen diesen Interessen begriffen, lokale Verwaltung als ein Instrument der Konsensfindung.

Vertretbare Kompromisse werden dabei häufig durch kompensatorische Verteilungsmechanismen erzielt. Verbände nehmen zwar Einfluss auf die Diskussion über öffentliche Ausgaben, seltener aber auf die Einnahmen. Die Lokalregierung wird in eine schwache Verhandlungsposition gegenüber Interessengruppen gedrängt, und Haushaltsprobleme können die Folge sein.

In Zeiten drastischerer Kürzungen im städtischen Haushalt sinken dann die Anreize organisierter Interessen an Beteiligung dramatisch. Korporatistische Beteiligung wird dann zur Verteidigung von Interessen einer Organisation. Städte werden in eine Abhängigkeit von Akteuren mit selektiven und eng abgegrenzten Interessen sowie einer nachrangigen Aufmerksamkeit für breitere gesellschaftliche Ziele gedrängt und werden von Interessenvertretern dann tendenziell instrumentalisiert.

Eine breite Beteiligung findet eher innerhalb der Organisationen statt, während lediglich die führenden Funktionäre in den politischen Prozess eingebunden sind. Das Hauptziel korporatistischer governance ist verteilungsbezogen und soll sicherstellen, dass die Interessen der organisierten Mitglieder das städtische Leistungsangebot und die Politik bestimmen. Die Interessen der Wähler und sozialen Gruppen, die in den betreffenden Prozess nicht eingebunden sind, werden dabei häufig vernachlässigt. Schlüsselinstrument ist die Einbeziehung von vertretenen Interessen. So wird ein hohes Maß an Akzeptanz der Politik erreicht und die Implementation politischer Programme vereinfacht. Die beteiligten Organisationen können dabei teilweise selbst die Verantwortung für die Erbringung öffentlicher Leistungen übernehmen.

Korporatistische governance wirkt sich negativ auf die öffentliche Ausgabendisziplin aus. Ausgeglichene öffentliche Haushalte sind beinahe unmöglich. Ungleichheiten zwischen den Mitgliedern bevorzugter organisierter Interessen einerseits und anderen gesellschaftlichen Gruppen andererseits stellen sich überdies ein.

Wachstumsorientierte governance

Von den vier hier erläuterten Modellen stellt die wachstumsorientierte governance die mit Abstand häufigste Beschreibungsform städtischer Politik dar, insbesondere in den USA. Eine Hauptfrage ist dabei stets das Ausmaß der politischen Entscheidungsfreiheit für die städtische politische Ökonomie, über die sich seit den 1980er Jahren ein breiter Theoriestreit entfaltet hat. Die Frage nach der Existenz politischer Entscheidungsfreiheit ist deshalb wichtig, weil governance genau das Treffen von Entscheidungen über Strategien, Maßnahmen und Partner bedeutet.. Wachstumsorientierte governance vermittelt dabei zwischen Inhabern staatlicher Macht und von Marktmacht.

Governance bezieht sich auch grundsätzlich darauf, ob eine Stadt ihre ökonomische Entwicklung zum obersten Ziel machen soll. Rechtsgerichtete politische Eliten wählen bisweilen aus ideologischen Gründen den Weg wirtschaftspolitischer Enthaltsamkeit (Freiheit für den Markt), während linksgerichtete häufig zu einem ähnlichen Schluss kommen, aber deshalb, weil sie dem privaten Kapital keine privilegierte Position in der städtischen Politik einräumen wollen.

Wachstumsorientierte governance ist durch intensiven Austausch zwischen privaten und öffentlichen Akteuren gekennzeichnet. Die politischen und sozialen Voraussetzungen dafür hängen mit staatlichen Traditionen wie der Stärke des Staates und der Rolle der öffentlichen Hand auf den Märkten zusammen. Der politische Entscheidungsspielraum beim Aufbau einer wachstumsorientierten governance kann sich auf das Ausmaß beziehen, in dem verschiedene Akteure einbezogen oder ausgeschlossen werden, auf die Entscheidung zwischen verschiedenen kurzfristigen und langfristigen Zielen, auf das Verhältnis der Stadt mit höheren Verwaltungsebenen oder darauf, ob die Stadt sich ergänzend zu anderen Strategien in einen internationalen Wettbewerb begeben sollte.

Eine öffentlich-private Zusammenarbeit beruht auf gemeinsamen Interessen der Stadtverwaltung und der innerstädtischen Geschäftswelt an wirtschaftlichem Wachstum. Eine weitreichende Beteiligung würde hier kontraproduktiv wirken und wird deshalb nicht erwogen.

Im ökonomischen Strukturwandel spielt wachstumsorientierte governance eine besondere Rolle. Steuerlich und haushaltspolitisch ist die Lokalpolitik dabei von privatem Kapital abhängig. Dies gilt im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen selbst in Ländern, wo die kommunalen Haushalte hauptsächlich durch Zuweisungen des Staats finanziert werden, und deshalb werden auch hier Investitionen gefördert.

Beteiligte an wachstumsorientierter governance sind die Vertreter der innerstädtischen Unternehmerelite und Politiker. Restriktive Beteiligung ist dabei erforderlich, um verteilungspolitische Ziele aus der Politik fernzuhalten. Das zentrale Ziel ist Wirtschaftswachstum, dessen Basis sich in den letzten Jahren von großen Industrieunternehmen zu wissensintensiven kleinen Unternehmen verlagert hat. Wirtschaftsförderung stützt sich auf eine große Breite von Instrumenten der Lokalpolitik wie Stadtplanung, Mobilisierung regionaler und staatlicher Fördermittel sowie Ausbau der Infrastruktur und die Fröderung des Investitionsklimas sowie öffentlich-private Partnerschaften.

Der Zusammenhang zwischen politischen Entscheidungen und ökonomischem Wachstum ist verglichen mit dem überwältigenden Einfluss des wirtschaftlichen Strukturwandels auf die lokale Wirtschaft gering, auch wenn er empirisch nachgewiesen wurde.

Wohlfahrtsorientierte governance

Einstmals wohlhabende Industriestandorte in den USA, denen es nicht gelungen ist, ihre lokale Wirtschaft zu erneuern und die dabei einen passiven Politikstil mit einer stagnierenden lokalen Wirtschaft vereinen, werden als wohlfahrtsorientierte Städte bezeichnet. Bei geringem Wachstum stellt das Wohlfahrtssystem die wichtigste Quelle von Kapitalzuflüssen dar, wodurch diese Städte in eine besonders missliche Abhängigkeit vom Staat geraten.

Hohe Arbeitslosigkeit und die Frustration über ergebnislose korporatistisch-politische Anstrengungen führen häufig dazu, dass diese Städte eine - manchmal sogar radikal - linksgerichtete Politik betreiben. Beispiele finden sich sowohl im „Rostgürtel" der USA als auch in den altindustrialisierten Regionen Europas. Wegen ihrer Abhängigkeit vom öffentlichen Haushalt der Zentralregierung bezieht das Modell der governance den Staat durch Erbringung von Leistungen oder die Bereitstellung von Möglichkeiten sehr stark ein und wird bisweilen lokalpolitisch wichtiger als die Stärkung des privaten Wirtschaftssektors, da die Zusammenarbeit mit Unternehmen hoffnungslos erscheint.

Wohlfahrtsorientierte governance kombiniert die politische Einbeziehung von weiten Bevölkerungskreisen mit einer negativen Einschätzung der Privatwirtschaft, die als die Wurzel und die Ursache der Notlage der Stadt aufgefasst wird. Durch Subventionen wird die Stadt in die Lage versetzt, ihre wirtschaftlichen Probleme anzupacken, jedoch bestehen für sie nur geringe Anreize zur Stärkung der lokalen Steuerkraft, solange der Staat die sozialen Kosten des Strukturwandels trägt. Schließlich schreckt die politische Militanz dieser Städte potentielle Investoren ab. Investoren würden dringend benötigt, werden aber durch die militante Politik abgeschreckt.

Die Hauptbeteiligten sind Vertreter der Lokalregierung und Staatsbeamten. Der Parteikontakt zwischen lokalen und staatlichen Institutionen kann bei der Unterstützung ausgewählter Städte bedeutsam sein. Kurzfristiges Ziel ist die Sicherung staatlicher Mittelzuflüsse zur Unterstützung der lokalen Wirtschaft. Die langfristigen Ziele sind weniger klar. Als Instrument werden hauptsächlich politische oder verwaltungsbezogene Netzwerke zu höheren Regierungsebenen genutzt.

Wohlfahrtsorientierte governance kann nicht auf lange Zeit aufrecht erhalten werden. Städte, die ihr wirtschaftliches Wachstum nicht aufrecht erhalten können, sollten nicht längerfristig künstlich vom Staat unterstützt werden, was durch die staatlichen Haushaltsprobleme ohnehin kaum möglich ist.

Wachstumsorientierte und managementorientierte governance könnten als zielbezogen bezeichnet werden, da sie Ergebnisse in den Mittelpunkt stellen. Wohlfahrtsorientierte und korporatistische governance sind dagegen offenbar prozeßbezogen.

Der Zusammenhang zwischen institutioneller Theorie und den Modellen städtischer governance

Städte neigen nun zu einer vielfältigen und fragmentierten Organisationsstruktur, in der verschiedene Organisationseinheiten in der Lage sind, verschiedene Modelle von governance auszubilden. Die unterschiedlichen Ansichten über die Funktionsweise lokaler Politik, die sich in den Modellen widerspiegeln, legen nahe, dass städtische „Unregierbarkeit" zumindest teilweise durch Konflikte über Werte und Ziele innerhalb der Stadtverwaltung erklärt werden können. Unterschiedliche Modelle von governance passen zu unterschiedlichen politischen Ziele, Organisationsstrukturen und Schlüsselakteuren, und daher sind Konflikte über das zu verfolgende Modell von governance wahrscheinlicher als Konsens. Jedes Modell von governance weist seine eigene organisatorische Logik und Zielgruppe auf. Unterschiedliche Sektoren in der Lokalverwaltung neigen dazu, für unterschiedliche Modelle von governance zu einzutreten. Lokale Staaten sind vieldimensionale Phänomene. Beispielsweise sollte man nicht erwarten, das Sozialarbeiter wachstumsorientierte governance unterstützen oder das sich die Wirtschaftsförderung an die Spitze der wohlfahrtsorientierten governance stellt.

Spannungen innerhalb der Lokalverwaltung durch die Verfolgung unterschiedlicher Formen von governance illustrieren die Überbeanspruchung von Städten in ihrem Verhältnis zu ihrem Umfeld. Probleme städtischer governance werden in diesem Verständnis durch Unterschiede in Prioritäten, Zielen und Strategien zwischen verschiedenen Teilen des lokalen Staats erklärt, oder durch „governance-Lücken" als Folgen von Mängeln in Organisation und interorganisatorischer Koordination.

Die Anwendung von Institutionentheorie ermöglicht eine analytische Trennung der normativen und organisatorischen Dimensionen der Lokalverwaltung. Indem lokale Organisationsstrukturen nicht in ein übergreifendes und einheitliches Wertesystem eingebunden werden, zeigt die institutionentheoretische Herangehensweise, wie politisch aufgeladen der organisatorische Aspekt der lokalen Verwaltung ist.

Dies führt zur Frage, ob Städte selbständig und aktiv ein bestimmtes Modell von governance wählen oder ob diese Modelle Ergebnisse externer Abhängigkeiten und Spannungen innerhalb der Stadtverwaltung darstellen. Damit ist die Rolle der Lokalverwaltung innerhalb der governance angesprochen. Governance als autopoetisches, selbstorganisierendes Netzwerk, das zur Lösung gemeinsamer Probleme geschaffen wird, räumt der Verwaltung ganz unterschiedliche Rollen von einer völligen Zurückhaltung bis hin zu der einer zentralen Koordinatorin von öffentlichem und privatem Handeln ein. Gemeindeverwaltungen treten allerdings in das System der governance mit bestimmten Zielen ein und nehmen an ihm teil, um diese zu erreichen. Andere Akteure werden je nach nationalen politischen Traditionen, der Art des Politikfeldes und der der lokalen politischen Ökonomie einbezogen. Die Ausbildung der governance ist daher kein wertneutrales Unterfangen, sondern eingebettet in ein System politischer Werte oberhalb und jenseits parteipolitischer Unterschiede.

Bei den Beziehungen zwischen den vier Modellen fällt auf, daß einige zugrundeliegende Werte teilen. Dies gilt für managementorientierte und wachstumsorientierte governance, die beide marktstützende Formen städtischer governance sind, während korporatistische und wohlfahrtsorientierte governance, wenn auch auf unterschiedliche Weise, die Marktkräfte zu kontrollieren oder einzudämmen versuchen. In den meisten lokalen Verwaltungen hat die Dezentralisierung es den Subkulturen innerhalb der Organisation ermöglicht, Netzwerke zu bilden. Obwohl dies eine zentrale Kontrolle erschwerte, wurde doch die Regierungsfähigkeit dieser organisatorischen Einheiten verbessert. Die organisatorische Fragmentierung des lokalen Staats hat so den potentiellen Konflikt zwischen den miteinander ringenden Institutionen der Lokalpolitik ansatzweise bewältigt.

Pierre gelingt es, durch die Einbeziehung der Institutionentheorie ein für die Erklärung der Lokalpolitik attraktives Theoriegerüst entwickelt, das gleichermaßen einfach wie empirisch plausibel ist. Weitere Forschung ist gerade im internationalen Vergleich und im Hinblick auf die Verbindungen zwischen Regimepolitik und governance-Forschung erforderlich, um den Erklärungsgehalt der gängigen Modelle der lokalen Politikforschung weiter zu verbessern.