Anirudh V.S. Ruhil, Mark Schneider, Paul Teske, Byung-Moon Ji : Institutionen und Reformen - Die Neuerfindung der lokalen Verwaltung

Besprechung durch Juliane Martinius

Erschienen in: Urban Affairs Review, Vol. 34, No. 3, January 1999, pp 433-455

Zusammenfassung

In den USA wird in der letzten Zeit viel über eine Reform der Verwaltung diskutiert. Bisher ist aber wenig bekannt über das tatsächliche Ausmaß der Umsetzung dieser Reformen. Die Autoren decken durch eine systematischen Umfrage in suburbanen Gemeinden auf, dass die Reformwilligkeit tatsächlich nicht so stark ist, wie es in den Medien erscheint. Darüber hinaus beschreiben die Autoren auch bestimmte Faktoren, die die Reformwilligkeit positiv beeinflussen. Eine wichtige Rolle spielen hier beispielsweise die Citymanager.

Gerade diese Erkenntnisse über Voraussetzungen des Reformwillens von Verwaltungen sind im Kontext von Erneuerungsbestrebungen deutscher Verwaltungen sehr interessant.

1. Einführung

Die Geschichte der Reformwilligkeit in den USA kann aufgefasst werden als eine kontinuierliche Suche nach der idealen Form der Verwaltung, die ihre Dienste in einer effizienten, zuverlässigen und ansprechenden Weise darbietet. Da aber nie alle institutionellen Strukturen gleichzeitig alle Anforderung erfüllen können, sind Reformbewegungen ein immanenter Bestandteil der lokalen Verwaltung.

In den letzten Jahren wurde unter der Rubrik „Neuerfindung der Verwaltung" eine Welle von Reformen angekündigt. Dieser Ausdruck wurde von der National Performance Review aus Clintons Verwaltung zu einem Banner der Reformbewegung in den 1990er Jahren stilisiert. Die übertriebene Sprache, die so oft mit Reformbemühungen einhergeht, zeigt, dass auf dem Weg der Verwaltungserneuerung ehrgeizige Ziele gesetzt wurden. Die Verwaltung sollte: „beschleunigt, unternehmerisch, vorausschauend, dezentralisiert, wettbewerbs-, markt-, kunden- und ergebnisorientiert" arbeiten.

Nimmt man all die Meldungen aus der Presse und die Aktivitäten zusammen, die bei politischen Kampagnen betont werden, könnte der Eindruck entstehen, dass die Verwaltungsreform eine Tatsache ist und im ganzen Land umgesetzt wird. Es erscheinen z. B. Berichte aus Dallas, Baltimore, Indianapolis und San Diego in den Medien, die es geschafft haben sollen, Verwaltungsebenen abzubauen. Darüber hinaus erlangten neuartige public-private partnerships einige Aufmerksamkeit der Medien, bei denen neue Wege der Bereitstellung von Dienstleistungen erprobt wurden.

Nichtsdestoweniger ist abgesehen von dem Gerede über Verwaltungsreformen wenig bekannt über das wirkliche Ausmaß einer „Neuerfindung der Verwaltung" in der Praxis, insbesondere nicht über die suburbanen Gebiete, wo die meisten Amerikaner leben. Des weiteren gibt es weder systematische Informationen über die verschiedenen Typen von Reformen, die Anwendung finden; noch ist bekannt, welche Faktoren mit der Verwaltungserneuerung im Zusammenhang stehen. Während die meiste Arbeit auf diesem Gebiet bisher nur deskriptiv war, basiert dieser Artikel auf der Analyse einer großen Umfrage, die sich an suburbane Gemeinden richtete.

2. Forschungsdesign, Datenlage und Methoden

Um die Faktoren zu studieren, die die Verwaltungsreform vorantreiben, wurde im Sommer 1995 eine dreistufige Briefumfrage durchgeführt, auf die 805 suburbane Gemeinden aus 24 verschiedenen Bundesstaaten antworteten. Die Verwaltungsbeamten wurden dazu befragt, wie viele der vorgegebenen Verwaltungsinnovationen in ihrer Kommune Anwendung finden. Die abgefragten 16 Indikatoren werden als die wesentlichen Komponenten einer Verwaltungserneuerung in den 1990ern angesehen. Außerdem wurde bei einer negativen Antwort nachgefragt, warum bestimmte Verwaltungsreformen nicht eingesetzt werden. Die Daten wurden darüber hinaus um Zahlen zu Bevölkerung, Arbeitslosigkeit, Steuereinnahmen etc. ergänzt.

Bei jedem der einzelnen Reformkategorien wurde das arithmetische Mittel gebildet. Um die Aussagekraft zu erhöhen, wurden außerdem die einzelnen Faktoren zu folgenden drei Oberkategorien zusammengeführt:

Öffentlicher Dienst (Abbau bürokratischer Hindernisse)

Einbeziehung der Mitarbeiter (Betonung der Verantwortung und Initiative der Angestellten sowie deren aktive Beteiligung in Entscheidungsprozessen)

Privatisierung und Wettbewerbsorientierung (bei der Bereitstellung von öffentlichen Gütern; Konkurrenzprinzip).

 

Beschreibung des Reformansatzes

Kategorie

Anteil der hier aktiven Gemeinden

Vereinfachung der Verwaltungsebenen

Öffentlicher Dienst

0,2112

Bessere Verknüpfung zwischen Leistung und Bezahlung

Öffentlicher Dienst

0,3523

Verstärkte Leistungsevaluierung

Öffentlicher Dienst

0,0588

Bezahlung & Aufstiegschancen nach Leistung anstatt nach Dienstalter

Öffentlicher Dienst

0,1507

Bezahlung & Aufstiegschancen nicht nur in Abhängigkeit von schriftlichen Prüfungen festgelegt

Öffentlicher Dienst

0,1977

Bei Neubesetzungen größere/genauere Auswahlverfahren

Öffentlicher Dienst

0,2755

Vereinfachte Klassifizierungen der Dienstgrade

Öffentlicher Dienst

0,2300

Flexibilisierung der Angestelltenarbeitsverhältnisse

Öffentlicher Dienst

0,2301

Beschränkung auf nur eine Unterschrift bei kleineren Ausgaben

Öffentlicher Dienst

0,2378

Reibungsärmere Beschaffungsmodi

Öffentlicher Dienst

0,3704

Bessere Einbeziehung von Gewerkschaftsvertretern in Entscheidungsprozessen

Einbeziehung Mitarbeiter

0,2415

Verbesserte Aus- und Weiterbildung der Angestellten

Einbeziehung Mitarbeiter

0,5984

Verstärkter Einsatz von Bieterverfahren bei der Vergabe öffentlicher Aufträge

Privatisierung

0,2985

Verstärkte Auslagerung öffentlicher Aufgaben (Contracting Out)

Privatisierung

0,3412

Dienstleistungen für den Wettbewerb freigeben

Privatisierung

0,1862

Verkauf von öffentlichem Vermögen

Privatisierung

0,1498

 

Tabelle 1: Die Kategorisierung der Verwaltungsreformen und die Häufigkeit ihrer Anwendung

 

In Tabelle 1 können die verschiedenen Reformansätze in Bezug auf ihre Popularität verglichen werden. Mit Abstand am meisten wird bei den öffentlichen Verwaltungen auf eine verbesserte Aus- und Weiterbildung Wert gelegt (60% der befragten Gemeinden). Des weiteren versucht man, durch reibungsärmere Beschaffungsmodi (37%) und durch eine bessere Verknüpfung zwischen Leistung und Bezahlung (35%) die Effizienz zu steigern. Auf der anderen Seite erscheint mit 6% ein nur geringes Interesse daran zu bestehen, den Einfluss des Bürgermeisters über den des Citymanagers zu erhöhen. Auch andere Faktoren, wie eine stärker leistungs- statt altersbezogene Bezahlung oder der Verkauf von öffentlichem Vermögen scheinen mit 15% nur eine untergeordnete Rolle bei den Bemühungen um eine Verwaltungserneuerung zu spielen.

Die zweite Tabelle gibt einen Überblick über die Reformaktivitäten innerhalb der drei Hauptkategorien. Ein paar wichtige Grundtendenzen offenbaren sich hier. So werden z. B. trotz einer hohen Anzahl von Reformansätzen im Verwaltungsbereich im Schnitt nur 2,2 Ansätze wirklich umgesetzt (max. 10). Auch die Privatisierung von öffentlichen Aufgaben scheint im Gegensatz zu den zahlreichen Bekundungen und zur Praxis der 1980er Jahre in den 1990ern kein Schwerpunkt mehr zu sein. Weniger als eine der vier genannten Privatisierungsstrategien wird von den Verwaltungen durchschnittlich wirklich genutzt. Insgesamt wurden im Durchschnitt nur 3,9 der 16 Reformansätze wirklich umgesetzt.

 

Index

Arithmetisches Mittel

Minimum

Maximum

Öffentlicher Dienst

2,2125

0

10

Einbeziehung der Mitarbeiter

0,8369

0

2

Privatisierung

0,9657

0

4

Alle Reformen

3,9165

0

16

 

Tabelle 2: Beschreibende Statistik der einzelnen Kategorien (n = 805)

 

Obwohl diese Erkenntnisse sehr wichtig sind, wird im folgenden versucht, eine über die deskriptive Statistik hinausgehende Beschreibung darüber zu geben, inwiefern Reformen wirklich umgesetzt werden. Dabei ist die Kernfrage, der nachgegangen wird, einfach: Welche lokalpolitischen, institutionellen und organisatorischen Faktoren sind ausschlaggebend dafür, dass in manchen Gemeinden Reformen durchgesetzt werden und in anderen nicht?

3. Städtische Institutionen und Anreize für Reformen

Spätestens seit einer Umfrage von Lineberry und Fowler über Reformismus im Jahre 1967 haben Akademiker die institutionellen Rahmenbedingungen, die Entscheidungsprozesse innerhalb von Verwaltungen beeinflussen, systematisch untersucht. So basieren aktuelle Forschungen auf relativ zuverlässigen Erkenntnissen. Diese zeigen z. B., dass Bürgermeister und Citymanager auf unterschiedliche Machtressourcen zurückgreifen, dass aufgrund unterschiedlicher Wahlsysteme in den Bundesstaaten (Stadtbezirkslisten (district) oder eine Liste für das gesamte Stadtgebiet (at large)) auch die Repräsentationsfunktionen von city councils differieren und entsprechend andere Schwerpunkte bei den öffentlichen Dienstleistungen gesetzt werden.

Zusammenfassend kann man die Verwaltungserneuerung als einen Wandel in der „institutionellen Matrix" betrachten, von der Beteiligte unterschiedlich tangiert werden. Dabei wird argumentiert, dass Reformen, die in der Verwaltung, im Angestelltenverhältnis sowie im privaten Sektor durchgesetzt werden, Ergebnisse der jeweiligen institutionellen Voraussetzungen sind bzw. von den jeweiligen Akteuren, die in diesen Strukturen operieren, abhängen.

Führungsrolle: Bürgermeister oder City Manager?

In der Vergangenheit haben viele Studien bewiesen, dass die Wahrnehmung der Führungsrolle durch den Vorgesetzten eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Verwaltungsreform ist. Dabei sind in der öffentlichen Verwaltungsstruktur zwei Positionen von zentraler Bedeutung: die des Bürgermeisters und die des City Managers. Beide haben allerdings sehr unterschiedliche Anreize, die sie dazu motivieren könnten, Reformen durchzusetzen.

Aktuelle Studien zeigen, dass Bürgermeister über eine relativ große Macht innerhalb der urbanen Entscheidungsstrukturen verfügen. In Städten, deren Kommunalverfassung dem Council-Manager-Typ zuzurechnen ist, befördern sie Entscheidungsprozesse zusätzlich zu ihrer Funktion als Gestalter von politischen Strategien auch durch ihre Zugehörigkeit zu Netzwerken - und Verhandlungsfähigkeiten als Entscheidungsträger. Die derzeitige Reformwelle kann für Bürgermeister eine gewissen Anreiz darstellen, ihre Führungsrolle noch weiter auszubauen. Sie können angesichts der Verärgerung von Steuerzahlern über die Verwaltungskosten bzw. die Feindseligkeit allem gegenüber, was eine starke Verwaltung symbolisiert, durch den Einsatz für eine schlankere Verwaltung und stärkere Einbindung von Privaten nur gewinnen.

Allerdings sind die Bürgermeister nicht die einzigen wichtigen Führungspersönlichkeiten in der Lokalpolitik. Seit der Einführung von Kommunalverfassungen mit Rat und Citymanager spielen auch die Citymanager eine aktive Rolle in Entscheidungsprozessen. Die Citymanager verkörpern die Professionalität in der Verwaltung und stellen die „neutralen Experten" dar, die den politischen Willen effektiv umsetzen. Aber neben ihrer Rolle als neutrale Experten besitzen Citymanager eine ausschlaggebende Rolle beim Umbau der Verwaltung nach modernen Managementmethoden. Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass Citymanager mehr Engagement im Bereich Verwaltungserneuerung zeigen, wenn entsprechende Anreize existieren.

In hierarchischen Organisationen werden Managementprobleme oft nicht wahrgenommen. Bei Managern fehlt es nicht selten an der Fähigkeit zu kontrollieren bzw. Anreizmechanismen zu entwickeln, damit Angestellte und Arbeiter reibungslos ihren Aufgaben gerecht werden. Manager haben diese Probleme auch im privaten Sektor, nur dass im öffentlichen Bereich die Spielräume und Anreizsysteme aufgrund fester Gehälter und geregelter Aufstiegschancen wesentlich geringer sind. Frühere Reformansätze haben zur Schaffung von Strukturen geführt, die die lokale Verwaltung vom Einfluss der Legislative abgeschirmt haben. Sie sind häufig unabhängig von den Citymanagern durchgeführt worden und haben deren Koordinationsprobleme noch verschärft.

Neuerliche Reformbestrebungen können so gesehen mindestens zwei positive Aspekte für Citymanager haben. Erstens zielen die Verwaltungsreformen darauf ab, dass der gesamte Verwaltungsbetrieb reibungsloser funktioniert. Dies führt zu einer besseren Umsetzung von fiskalischen und managementorientierten Verbesserungen. Zusätzlich dazu steigt das Ansehen von Citymanagern, wenn sie auf eine reformierte und effizientere Verwaltung verweisen können. Neben dem gewonnenen Ansehen kommen aber auch noch andere „Belohnungen" hinzu. Schließlich agieren auch Citymanager auf einem freien Arbeitsmarkt und können bei erwiesener Kompetenz von anderen, größeren Kommunen, die sich ebenfalls im Verwaltungsbereich Einsparungen erwünschen, abgeworben werden. Der Wettbewerb um Aufstiegsmöglichkeiten stellt somit eine ganz entscheidende Motivation auf einem Markt dar, wo ansonsten „Belohnungen unteilbar und Erfolge sowie der Zusammenhang zwischen Vorhaben und Umsetzung kaum messbar sind".

Interessengruppen und die Mobilisierung für Reformen

Am meisten wurde in den untersuchten Gemeinden versucht, die Verwaltung durch veränderte interne Verfahrensabläufe zu modernisieren: Flexiblere Einstellungs- und Entlassungsmodalitäten sowie entsprechende Bezahlung und Aufstiegschancen. Andere Reformen zielen darauf ab, eine höhere Effizienz durch mehr Wettbewerb zu erreichen. Dafür sollen der private Sektor stärker eingebunden werden, Bieterverfahren stattfinden, der öffentliches Vermögen verkauft werden usw.

Obwohl die einzelnen Ziele der Reformen sich unterscheiden können, so zielen doch alle darauf ab, den Status quo zu verändern. So ist es auch wahrscheinlich, dass sich Oppositionen bilden, die darum fürchten, aufgrund der institutionellen Veränderungen zu verlieren.

In der Studie werden vier Hauptgruppen ausgemacht, die den Reformprozess beeinflussen:

die lokalen Handwerks- und Gewerbekammern

Nachbarschaftsgruppen, die i.d.R. spezifische lokale Interessen vertreten

Steuerzahlergruppen, die ein allgemeineres Interesse verfolgen, Steuern zu sparen

Angestellte im öffentlichen Sektor, die um ihre Sicherheiten bangen.

Die vier Gruppen haben alle unterschiedliche Motivationen, warum sie sich bei einem bestimmten Thema bzw. bei einer bestimmten Reform engagieren. So kann man z. B. erwarten, dass sich die Angestellten-Gewerkschaften des öffentlichen Sektors gegen eine zunehmende Privatisierung wehren, da damit ihre eigenen Anstellungsverhältnisse gefährdet werden. Im Gegensatz dazu würden sie sich wahrscheinlich für eine verbesserte Aus- und Weiterbildung der Angestellten stark machen. Darüber hinaus werden die Interessengruppen, die besonders viele Serviceleistungen der Verwaltung in Anspruch nehmen, um die Kontinuität, bzw. das Niveau dieser Serviceleistungen fürchten, sofern sich die Verwaltungsstruktur verändert.

4. Suburbane Institutionen und Reformen

Es wurde an anderer Stelle die These entwickelt, dass es für Citymanager v. a. zwei Hauptmotivationen gibt, warum sie sich für Reformen einsetzen. Zum einen können sie damit ihr Ansehen und zum anderen ihren Einfluss innerhalb der Verwaltung verbessern. Leider vermag es die Studie nicht, diese beiden Faktoren getrennt zu erfassen. Trotzdem ergibt die Auswertung, dass der Citymanager derjenige Akteur mit dem größten Einfluss auf die Reformaktivitäten einer Gemeinde ist. So erhöht das Vorhandensein eines Citymanagers die Wahrscheinlichkeit, dass Reformen im öffentlichen Dienstrecht durchgeführt werden, um 11%, um 9% im Bereich Einbeziehung der Mitarbeiter sowie um 11 % bei Reformen im Bereich Privatisierung. Vorhandene lokale Interessengruppen können den Reformwillen ebenfalls erhöhen und scheinen eine wichtige Basis für die Unterstützung bei der Durchsetzung einer Verwaltungsreform darzustellen, vor allem im öffentlichen Dienstrecht und bei der Einbeziehung von Mitarbeitern. Im Gegensatz zu der Befürchtung, dass sich vor allem Angestelltengewerkschaften gegen Reformen wenden, zeigt die Studie, dass auch diese tendenziell die Privatisierung unterstützen. Diese Erkenntnis wird im letzten Kapitel ausführlich diskutiert.

 

 

Variable

Faktorwert

Öffentliches Dienstrecht Einbeziehung Mitarbeiter

Bürgermeister

0,5739

0,1530

Citymanager

0,882

0,2376

Bezirksbezogenes Wahlsystem

0,4743

0,1384

Kammern/Verbände

0,0348

0,0769

Steuerzahler

0,0340

-0,0383

Nachbarschaftsinitiativen

0,3225

0,0820

Gewerkschaften der Angestellten

0,2372

0,0350

Anteil der Schwarzen

-0,0162

0,0046

Anteil der über 65jährigen

-0,1654

-0,0230

 

Tabelle 3: Einfluss verschiedener Faktoren auf Reformanstrengungen

 

Das Wahlsystem der entsprechenden Kommune hat ebenfalls Einfluss auf die Umsetzung von Verwaltungsreformen. Insbesondere in Gemeinden mit bezirksbezogenem Wahlsystem (district elections) vergrößert sich die Wahrscheinlichkeit, dass Reformen durchgesetzt werden, im Vergleich zu Gemeinden, die gemeindebezogene (at large) Wahllisten oder gemischte Systeme haben, um 6%. Durch die district elections können bestimmte lokale Interessengruppen ihren politischen Einfluß erhöhen. Durch die Zusammensetzung dieser Gruppen, in denen i. d. R. untere sozio-ökonomische Gruppen unterrepräsentiert sind, verstärkt sich wiederum der Einfluss von Interessen der steuerzahlenden Mittelklasse, die den Verwaltungsapparat verkleinern und die Dienstleistungen effizienter machen wollen. Übersetzt in politischen Druck bedeutet dies einen stärkeren politischen Druck für Reformen und schwächt diejenigen, die sich für einen Erhalt der bisherigen bürokratischen Institutionen und Dienstleistungen einsetzen.

 

5. Die Logik derzeitiger Reformbemühungen

Im Gegensatz zu populären Berichten sind die aktuellen Verwaltungsreformen bisher nur sehr sparsam von suburbanen Gemeinden umgesetzt worden. Letztlich unterscheidet sich die derzeitige „Umsetzungsrate" bei den Reformen auch nicht von denen vergangener Reformwellen, insbesondere der zur Einführung alternativer Methoden der Leistungserbringung.

So zeigt die Studie, dass wie schon bei früheren Reformbewegungen zwar viel darüber geredet, aber letztlich doch nur sehr wenig umgesetzt wird. Fast noch wichtiger ist, dass einige grundsätzliche Züge in der nicht enden wollenden Reformgeschichte von öffentlichen Verwaltungen offenbar werden. Richtlinien für Verwaltungen entwickelten sich historisch vor allem unter dem Aspekt, dass die Effizienz der Dienstleistungserbringung dann gesteigert werden kann, wenn Verwaltungsentscheidungen weitgehend vom Druck der Politik getrennt werden. Es gibt Hinweise, dass diese Reformen es gerade verhindert haben, dass führende Beamte sich für eine Erneuerung ihrer Verwaltung eingesetzt haben. Im Gegensatz dazu entstanden neue Schranken, die eine gerechte Ressourcenverteilung angesichts sich wandelnder Technologien und Nachfrage noch zusätzlich erschwerten.

Um solche Unproduktivität abzubauen, muss die Verwaltung modernisiert werden. Dazu muss genau das gemacht werden, was die „Progressiven" immer wollten; man muss es nur richtig tun: Einführung effektiver Zielvereinbarungen und entsprechender Kontrolle, Schaffung von Anreizen und Belohnungen etc. Der Modernisierer hingegen begegnet Hindernissen auf Schritt und Tritt. Die personellen Strukturen und die Regelungen des Arbeitsrechts, die Reformen notwendig erscheinen lassen, erschweren es nämlich gleichzeitig, dass neo-progressive Initiativen erfolgreich sind.

Die Studie zeigt, dass Citymanager sich noch am meisten als Modernisierer eignen und dass Städte mit Citymanagern sich wesentlich öfter bei der derzeitigen Verwaltungsreformbewegung engagieren, was auf zwei wesentliche Motivationen aus: die Erhöhung der Effizienz der Dienstleistungserbringung durch die Veränderung von überholten Strukturen die Steigerung des eigenen Ansehens als Problemlöser und Verwaltungsexperte. Diese beiden Motivationen nehmen eine wesentlich bedeutendere Stellung ein als in vergangenen Reformwellen.

Nichtsdestoweniger gibt es keine Garantie für Reformen, da Kommunen vor vielen Hindernissen und Zwängen stehen, die ihre Reformfähigkeit stark beeinträchtigen. Einige hängen von der politischen Ausrichtung ab, andere vom Umfeld: Bei den 190 Gemeinden, die gar keine Reformen durchführten, ergaben Nachfragen nach dem „Warum" z. B. bei über 50% der Kommunen, dass eine Verwaltungserneuerung überhaupt nicht zur Diskussion stand. Dass so viele Gemeinden nicht mal Reformen erwogen hatten, ist angesichts der „Hysterie" in den US-amerikanischen Medien besonders bemerkenswert.

Reformen und Übertreibungen sind schon in der Vergangenheit eng miteinander verbunden gewesen. Die derzeitige „Neuerfindung der Verwaltung" stellt dabei keine Ausnahme dar. An dieser Stelle sollte gezeigt werden, dass zu einer erfolgreichen Umsetzung der vielen guten Ideen im ganzen Land nicht nur der Enthusiasmus der Presse oder das Applaudieren des Präsidenten reicht. In den 1990ern hängt die Realisierung von Reformen entscheidend von Akteuren ab, die innerhalb der Strukturen und Zwänge der Verwaltung entsprechende aktivierende Anreize identifizieren.

 

Dies sind letztlich so universelle Erkenntnisse, die auch für den europäischen Kontext die Frage aufwerfen, inwiefern innerhalb von Verwaltungen Anreizstrukturen vorherrschen, die einen effizienten Ressourceneinsatz ermöglichen. Wäre es z. B. sinnvoll, Institutionen so zu verändern, dass zwischen Stadtplanungsämtern auch ein Konkurrenzkampf um die besten Fachkräfte entsteht?