Ursula Flecken und Juliane Martinius:

Stadtplanung im Metropolenwahn. Der Fall Stuttgarter Platz in Berlin

 

Am Stuttgarter Platz soll gebaut werden: Insgesamt 24.000 m² Bruttogeschossfläche mit Handelsnutzungen und einem Hotelhochhaus.

Viele verbinden mit der Gegend des Stuttgarter Platzes Billigläden und Rotlichtetablissements. Spricht man hingegen direkt vom „Stuttgarter Platz", denken einige, dies sei nur die gemütliche Ecke vor ein paar Caférestaurants an der Windscheidstraße Dabei handelt es sich um eine große langgestreckte Fläche - insgesamt 560 Meter lang und zwischen 40 und 60 Meter breit. Mit der Wilmersdorfer Straße grenzt eine – wenn auch leicht heruntergekommene - innerstädtische Einkaufsmeile östlich an den Stuttgarter Platz. Der „Stutti" ist ein Platz im Herzen Berlins, der auf der nördlichen Längsseite weitestgehend durch eine gründerzeitliche Blockrandbebauung und an der südlichen Längsseite durch die Gleisanlagen der Bahn begrenzt wird.

Die ÖPNV-Anbindung ist mit seinem Anschluss an die S- und Regionalbahn plus U-Bahn sehr gut. Trotzdem versucht der vom Öffentlichen Nahverkehr gestresste Berliner es möglichst zu vermeiden, am S-Bahnhof Charlottenburg in die U-Bahn Wilmersdorfer Straße umzusteigen. Die Bahnhöfe sind 400 Meter voneinander entfernt. Keine optimale Umsteigesituation. Dazwischen erstreckt sich – auf dem östlichen Teil des Stuttgarter Platzes - ein oft leerer Parkplatz, der gesäumt wird von Import-Export-Shops und ein paar Sexkinos.

Auch die tiefere, westliche Seite des Stuttgarter Platzes ist nicht sehr einladend. Auf diesem Teil des Platzes gibt es einen weiteren Parkplatz sowie hinter brüchigen Zäunen ungenutzte Baracken, die den Eindruck bestärken, dass dieser Ort seit Jahrzehnten in der Stadt vergessen wurde. Nur der schöne, am westlichen Zipfel des Platzes gelegene Spielplatz und die wenigen Straßencafés geben eine Idee davon, welche Qualitäten dieser Platz aufweisen könnte.

Am Stuttgarter Platz soll nun gebaut werden, war in letzter Zeit oft in den Medien zu hören. Immer wieder wurden in recht kurzen Beiträgen einzelne Nuancen der umstrittenen und komplizierten Planung beleuchtet. Wir möchten einen Überblick geben und dann vor allem drei Fragen stellen:

1. Wer braucht diese Bebauung?

2. Wer macht hier Stadtplanung?

3. Wo ist etwas schiefgelaufen, und hätte man etwas „besser" machen können?

1. Der Planungsstand

Die derzeitige Planung sieht einen drei- bis viergeschossigen Riegel entlang der Bahntrasse vor, der durch seine Bautiefe auf der östlichen Seite des Platzes kaum mehr als Restflächen von wenigen Metern Tiefe frei lässt. In der Mitte des Riegels ein 19-geschossiges Hotel, in dessen Erdgeschoss das zukünftige Fernbahn- und S-Bahnhofsgebäude liegen soll. Auf der westlichen Hälfte entsteht ein Stadtplatz, der allerdings durch seine neu gebaute südliche Begrenzung von 12,50 Meter beziehungsweise 60 Meter Höhe teilweise verschattet und zudem von Tiefgaragenein- und -ausfahrten stark gestört wird. Insgesamt entstehen 24.000 m² Bruttogeschossfläche mit überwiegend großflächigem Einzelhandel, der das Angebot der Wilmersdorfer Straße ergänzen soll, unter anderem zwei Elektrodiscounter und ein Drogeriekaufhaus. Das Erdgeschoss soll durch „kleinteiliges" Angebot lebendig gestaltet sein – ob dies durch die geplanten Supermärkte gelingt, ist erheblich zu bezweifeln.

Ein Bebauungsplanentwurf mit diesen Inhalten liegt zur Zeit im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung aus. Angesichts der Ergebnisse des Investorenvorhabens ist zu befürchten, dass die Gebäudetiefen im Laufe des Verfahrens geändert werden und um viele Meter vergrößert werden. Das hieße, dass auch von der westlichen Platzhälfte nicht mehr als ein etwas breiterer Bürgersteig übrig bleiben würde.

Kurzum: Der Stuttgarter Platz wird weitestgehend zugebaut. Die Chance zur Aufwertung eines wichtigen Freiflächenpotentials der Berliner Innenstadt, die doch gerade zum Wohnen attraktiv bleiben soll, wird vertan. Wie konnte das geschehen?

Der Stuttgarter Platz schreit seit Jahren nach Verbesserung. Ein derart zentral gelegener Platz: ungestaltet und wenig nutzbar. Einige meinen, die Klientel des „Stutti" um die Peepshows und Import-Export-Läden müsse „verlagert" werden. Also: es musste etwas geschehen! Aber was?

2. Die Planungsvorgänge in den letzten Jahren

Der Plan der Bahn, durch die Verschiebung des S-Bahnsteigs Richtung U-Bahnhof eine bessere Umsteigesituation zu schaffen, war 1996 der Anlass für die Umgestaltung des Platzes. Finanziert werden sollte dieses Vorhaben durch den Verkauf des bahneigenen, als Bahnfläche planfestgestellten westlichen Teils des Platzes. Das Land Berlin und der Bezirk schrieben daraufhin einen Städtebaulichen Wettbewerb aus, dessen 1. Preis (Albers) im Vergleich zu den anderen eingereichten Arbeiten noch das „kleinste Übel" war. Er kam mit der geringsten Bruttogeschossfläche aus und ließ im Gegensatz zu den anderen Entwürfen Platzfläche frei: Ein schmaler Riegel schmiegt sich an den Bahndamm, das jetzige Bahnhofsgebäude wird durch ein Hochhaus ersetzt, insgesamt knapp 17.000 m² Bruttogeschossfläche. Zur Verwirklichung des Entwurfs musste dann ein Investor gefunden werden. In einem „Investorenauswahlverfahren" melden sich zunächst 25, bald springen 15 ab, bald neun: Übrig bleibt ein einziger Interessent, die Trigon Wohn- und Gewerbebauten GmbH. Man kann sich also offenbar froh schätzen, dass sich überhaupt noch ein Investor für die Innenstadt interessiert. Also zieht sich der Bezirk die Samthandschuhe an, man will ja den einzigen Interessenten nicht auch noch vergraulen. Die Trigon überzeugt die Planungsbeteiligten, sie brauche für ihr Konzept mindestens 28 Meter tiefe Gebäude, weil bestimmte Einzelhandelsnutzungen eine gewisse Gebäudetiefe erfordern würden. Außerdem müsse die Bruttogeschossfläche erhöht werden, sonst sei es für sie nicht wirtschaftlich und auch sie müsse dann abspringen. Der 1. Preisträger zeichnet seine Pläne also um, aus knapp 17.000 m² werden 34.000 m² Bruttogeschossfläche, aus dem zweigeschossigen Riegel wird ein dreigeschossiger Baukörper, aus dem 14-geschossigen Hochhaus wird ein 20-geschossiges, aus dem kleinteiligen Einzelhandel wird Media-Markt, ProMarkt, Aldi und so weiter. Von den zwei etwa 40 Meter tiefen Plätzen bleiben zwei schmale lange Streifen übrig, in die der Architekt in seiner Zeichnung Schwierigkeiten hat, in einer noch lesbaren Schrift die Wörter „Stadtplatz" und „Marktplatz" zu schreiben. Ein Berliner Stadtplanungsbüro erhält den Auftrag, die Architektenzeichnung in Baurecht zu übersetzen und zeichnet einen Bebauungsplanentwurf, der konform mit den Wünschen des Investors geht. Als einzige Verhandlungsmasse bleiben zwei mickrige Fragen übrig: An welcher Stelle genau soll der ohnehin nicht mehr vorhandene Stuttgarter Platz durch eine Tiefgarageneinfahrt gestört und verunstaltet werden? Wo genau bringt man die unliebsamsten Gewerbeflächen unter?

Ist das das Ergebnis der „Verhandlungen"? Wer hat hier eigentlich für die öffentliche Hand verhandelt? Wer hat die Interessen des „Gemeinwohls" vertreten? Wo war die Stadtplanung? Wo war die Politik?

3. Bürgerprotest

Als dieses Ergebnis im Sommer 1999 der Öffentlichkeit vorgestellt wird, formiert sich Widerstand. Eine Bürgerinitiative mobilisiert all ihre Kräfte. Das starke Bürgerengagement weckt erhebliches Medieninteresse, das im April 2000 in einer Fernsehsendung ihren Höhepunkt hat. Politik und Stadtplanung geraten unter Druck. Ein „Runder Tisch" soll vermitteln. Schon vor seiner ersten Sitzung geben die Parteien nach, der Bezirk geht nunmehr mit 24.000 m² Bruttogeschossfläche in die Verhandlungen. Die Bürgerinitiative fordert die „Null-Variante", das heißt keine Bahnsteigverschiebung, keine Bebauung, sondern die Umgestaltung des Platzes als Grün- und Freifläche. Nach der dritten Runde im Juli gilt der Runde Tisch als gescheitert. Trotz runder Tischanordnung saßen sich nicht mehr als zwei Lager frontal gegenüber: Auf der einen Seite die Bürgerinitiative, auf der anderen der Rest, nämlich Bezirkspolitik, Bezirksverwaltung, der Investor, sein Architekt und die Deutsche Bahn. Die Positionen näherten sich nicht an, sondern wurden in einem großen Schlagabtausch festgezurrt. Das Ergebnis: Der Bezirk hat ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet, an dessen Ende ein rechtsgültiges Planwerk stehen soll, das mit den Wünschen der Bahn und der Trigon übereinstimmen soll.. Es ist zu befürchten, dass mit dieser Vorentscheidung die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange (TÖB) wie Feuerwehr, Polizei, Industrie- und Handelskammer usw. sowie die Beteiligung der Bürger auf eine technokratische Weise abgehandelt wird, ohne noch wirklichen Einfluss auf die Planung nehmen zu können.

Als der Beobachterperspektive sind drei Fragen zu stellen, die die Problematik dieses Planungsfalls beleuchten sollen.

4. Wer braucht diese Bebauung?

Grundsätzlich ist die Zusammenführung des S- und U-Bahnhofes als positiv zu bewerten. Aus gesamtstädtischer Sicht dient sie zweifelsohne einer Aufwertung des Öffentlichen Nahverkehrs, wenn auch der derzeit geplante Umsteigeweg von 80 Metern nicht wirklich als Optimallösung angesehen werden kann. Es erscheint aber bedenklich, wenn dadurch Sachzwänge geschaffen werden, die vorgeblich nur noch eine Option zulassen, nämlich die maximale Verwertung des Stuttgarter Platzes. Getreu dem Motto: wer A sagt, muss auch B sagen? Denn, wenn wir „ja" sagen zur Verbesserung der Umsteigesituation, dann müssen wir uns auch um die Finanzierung Gedanken machen. Und eine schöne Grünanlage ist leider nicht sehr rentabel. Es müsste gebaut werden – viel gebaut werden. Nur dann lassen sich die angestrebten Bodenpreise bei Verkauf an einen Investor erzielen. Bodenpreise, die auf der einen Seite die Bahn für ihre Platzhälfte verlangt und auf der anderen Seite der Berliner Senat, denn auch der ist mit 12 Millionen DM an den Kosten des Bahnhofsumbaus beteiligt. Durch den Verkauf der jeweils eigenen Flächen am Stuttgarter Platz ließen sich dann zumindest Teile der anfallenden Kosten decken.

Zurück zur Finanzierung: „B sagen" hieße im Fall des Stuttgarter Platzes also: Bauen. Da ist ein Hotel an diesem Standort gewiss eine sichere und lukrative Angelegenheit. Die Höhe des Gebäudes von 19 Geschossen lässt sich dabei auf die Einschätzung des Entwerfers zurückführen, dass gerade an dieser Stelle eine „städtebauliche Dominante" angemessen sei. Die Auslastung der Berliner Hotels ist zwar nicht sehr hoch, jedoch ist mit steigender Nachfrage zu rechnen. In diesem Kontext bietet der Stuttgarter Platz mit seiner verkehrlichen Anbindung und seinem Umfeld (Kongresszentrum, Kurfürstendamm, Schloss Charlottenburg, Potsdam-Nähe etc.) sicherlich gute Voraussetzungen.

Eine Ansiedlung von Einzelhandelsflächen in der Innenstadt statt am Stadtrand ist zwar grundsätzlich zu befürworten. Aber hierfür ausgerechnet einen Platz zuzubauen, der das Freiflächendefizit der Wohngegend um den Stuttgarter Platz ausgleichen könnte, ist aus stadtstruktureller Sicht unsinnig. Das findet sich auch in einigen übergeordneten informellen Planungen wieder, zum Beispiel im Stadtentwicklungsplan Öffentlicher Raum in dem der Stuttgarter Platz als Platz und nicht als Baufläche vorgesehen ist.

Die Zahlen für den Bedarf an Einzelhandelsflächen in der westlichen Innenstadt im aktuellen Stadtentwicklungsplan „StEP Zentren und Einzelhandel" machen Staunen. Hier wird bis zum Jahr 2010 mit einem zusätzlichen Bedarf von nur 20.000 bis 35.000 m² Bruttogeschossfläche Totalvolumen für den gesamten Bereich um den Kurfürstendamm und die Wilmersdorfer Straße gerechnet. Dies dürfte inzwischen schon längst erreicht sein, falls doch nicht, dann spätestens nach der Fertigstellung der Baumassen an der Ecke Wilmersdorfer-/Schillerstraße und ganz zu schweigen von Bautätigkeit und -vorhaben rund um den Zoo. Angesichts dieser Zahlen ist zu fragen, ob die Kalkulation des Investors tragfähig ist. Werden seine Ladenflächen leerstehen? Vermutlich nein. Dafür ist der Standort viel zu gut. Nein, hier werden wahrscheinlich keine Schilder „Zu vermieten. Keine Provision!" in den Fenstern hängen. Wenn also 35.000 m² schon gebaut wurden und hier noch weitere 24.000 geschaffen werden, folgern wir: leerstehende Ladenflächen an anderer Stelle. Etwas, das in unserer Stadt schon ganz normal geworden ist: Langweilige billige Center mit landauf-landab dem selben Angebot ziehen die Kaufkraft aus den angestammten Geschäftslagen - in dem vorliegenden Fall mit aller Wahrscheinlichkeit aus der sowieso schon geschwächten Wilmersdorfer Straße. Genau hier muss Stadtplanung tätig werden!

5. Wer macht hier eigentlich Stadtplanung?

Ist es die Deutsche Bahn, die durch ihren Willen der Bahnsteigzusammenführung und der Veräußerung ihres Grundstückes alles ins Rollen brachte?

Ist es der Investor, dessen gutes Recht es ist, gewinnorientiert zu denken?

Ist es die Baustadträtin, die zu allem Unglück auch noch gerade der Partei angehört, die sich (einst?) gerade aus denen zusammensetzt(e), die gegen derartige Projekte protestier(t)en?

Sind es die Parteien, deren Sach- und Fachverstand zu wünschen übrig lässt?

Ist es die planende Verwaltung, die aufgrund aller Zwänge nur noch reagiert?

Ist es der Architekt, von dessen Idee am Ende wenig übrig blieb?

Ist es das Planungsbüro, das den Bebauungsplanentwurf immer wieder ändert, wenn von draußen die Weisung kommt?

Ist es die Bürgerinitiative, die mit allen Mitteln, die ihr bleiben, Sturm läuft gegen jedwede Bebauung vor ihrer Haustür?

Ist es das Land Berlin, das hier nichts anderes tun muss als zu sagen: „Bei Nicht-Gefallen Entziehung der Planungshoheit"?

Ist es der Bezirk Wilmersdorf, der schon in froher Erwartung der Bezirkzusammenlegung ist?

Ist es die „Öffentlichkeit", die mit einem Achselzucken jede bauliche Veränderung in der Stadt zur Kenntnis nimmt, und dann eines Tages doch aus der Stadt zieht?

Beteiligt sind viele, aber Stadtplanung macht hier keiner richtig. Stadtplanung bedeutet Einflussnahme der öffentlichen Hand auf die Stadtentwicklung. Stadtplanung ist nicht nur Koordination, sondern auch Steuerung von Maßnahmen. Stadtplanung soll aktiv dazu beitragen, die Qualität örtlicher Lebensbedingungen zu sichern und weiterzuentwickeln.

Dass Kräftevielfalt herrscht, ist gut so. Dass unendlich viele Verstrickungen in Sachverhaltskomplexitäten und Nicht-Wissen vorliegen, ist immer so. Dass dies aber noch lange kein Grund sein darf, sich aus der Verantwortung der Planung zu ziehen, sollte klar sein. Wenn wir hier nach Verantwortlichen fragen, dann meinen wir nicht alle Beteiligten, hier läge die Escape-Taste zu nahe. Nein, wir meinen ganz konkret jene, die entscheiden und jene, die die Profession betreiben! Jene, die die öffentliche Hand vertreten. Jene, die für das Gemeinwohl verantwortlich sind.

6. Wo ist was schiefgelaufen, und hätte man etwas „besser" machen können?

Die Ermittlung eines Planungsbedarfes sollte immer einher mit Entwicklungsvorstellungen für einen Ort gehen. Sicherlich handelt es sich beim Stuttgarter Platz um eine ausgezeichnete Citylage. Sicherlich passt dorthin ein großes Hotel sowie auch Einzelhandel, aber eben auch nur in dem Maße, in dem die anliegenden Strukturen nicht kaputt gemacht werden, sondern so, dass positive Impulse auf die Umgebung durch die städtebaulichen Umstrukturierung ausgehen. In die Planungsüberlegungen müssten außerdem das bezirkliche Grünflächendefizit, die fehlenden Aufenthaltsflächen für Jugendliche usw. einfließen. Eine jede Planung sollte solche Gedanken zumindest erkennen lassen und versuchen, sich diesen anzunähern, anstatt nur blind auf einen Investor zu warten. Darstellen könnte sich dies zum Beispiel durch eine Bebauung direkt an den S- und U-Bahn-Ausgängen einerseits und die Schaffung von qualifizierten Freiräumen andererseits. Solche oder ähnliche Überlegungen müssten doch jedem Planer kommen, der ein bisschen das Planer-Einmaleins beherrscht.

Wenn sich im Planungsprozess abzeichnet, dass Annäherungen nicht möglich sind, und die öffentliche Hand zum Beispiel aufgrund nur eines potentiellen Investors unter Druck gesetzt werden kann, dann muss sie auch noch in der Lage sein, die Notbremse zu ziehen. Und zwar nicht erst, wenn eine Bürgerinitiative sich aktiv gegen die Planungen wehrt. Verantwortungsvolle Planer hätten erkennen müssen, dass dem Ort mit den Investorenvorstellungen kein Gefallen getan wird. Und zwar weder dem Stuttgarter Platz selbst, noch der Wilmersdorfer Straße, noch der ansässigen Bevölkerung.

Die Frage ist doch, warum keiner der verantwortlichen Handelnden mehr den Mut und die Courage hat zu sagen: Das Verfahren hat sich in einer Art und Weise entwickelt, mit der keiner zufrieden sein kann, und deshalb sollte es erst einmal ruhen. Dadurch könnte Zeit gewonnen werden zum Nachdenken, Überdenken und vor allem zum Neudenken. Dies wäre auch ein wichtiges Signal dahingehend, dass sich die Planung nicht unter Druck setzen lässt. Auch die Entscheidung, „ruhen zu lassen", kann das Ergebnis eines Planungsprozesses sein. Auch ein Bezirk kann mit Flächen pokern! Dies wird natürlich um so fragwürdiger, wenn das Land selbst hohe Bodenpreisvorstellungen hat. Damit verliert auch die Öffentliche Hand die Glaubwürdigkeit in dem Bemühen, sich ehrlich für eine lebenswertere Stadt einzusetzen.

Wenn der Bezirk Charlottenburg diesen Mut und dieses Verantwortungsbewusstsein gezeigt hätte, dann wäre vielleicht die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gekommen und hätte die Planung an sich gezogen, die dann wahrscheinlich noch viel schlimmer ausfallen würde? Aber auch das andere Szenario hat man in den letzten Wochen immer wieder gehört: Tut der Bezirk jetzt nichts, dann würde sich möglicherweise im Zuge der Berliner Bezirkszusammenlegung ein zukünftiger CDU-Bezirksbaustadtrat wieder der auf Eis gelegten Planung erinnern und sich in der Öffentlichkeit als „Realisierer" präsentieren. Im Gegenzug würde den grünen Entscheidungsträgern wieder einmal das Stigma der Verweigerung anhaften.

Aber spielt denn bei diesen Überlegungen und Erwägungen, die Bürgermeinung überhaupt noch eine Rolle? Geht es wirklich noch um eine verantwortungsvolle Umgestaltung des Stuttgarter Platzes? Oder will hier vor allem niemand seinen Kopf und Ruf verlieren (bzw. bestätigen)?

4000 Unterschriften von Anwohnern gegen die Umsetzung der vorliegenden Pläne lassen jedenfalls keinen der Verantwortlichen an der Sinnhaftigkeit des Projektes zweifeln. Sicherlich kann man entgegnen, dass es sich bei den Unterschriften um eine ganz typische Form von NIMBYism („not in my backyard") handelt, wie man es so oft bei Bürgerinitiativen beobachten kann, die nicht über den eigenen Tellerrand gucken. Stutzig macht einen hingegen, dass sich selbst der „Fahrgastverband Charlottenburg" gegen die geplante Bahnsteigverlegung und der damit einhergehenden Bebauung des Stuttgarter Platzes einsetzt. In Fahrgastverbänden sitzen in aller Regel „Bürgerbewegte", die die Welt aus der S- und U-Bahn-Brille betrachten und vehement für eine Stärkung alternativer Verkehrsmittel kämpfen. Aber hier am Stuttgarter Platz lehnen selbst diese „Bahnliebhaber" den Umbau des Bahnsteiges in Anbetracht all seiner Konsequenzen ab.

Was sich Planer hier so fein als eine Win-Win-Situation überlegt haben – nämlich eine Stärkung der Öffentlichen Verkehrs und die Beseitigung einer „Schmuddelecke", scheint bei kritischer Hinterfragung doch nur noch eine Win-Situation zu sein. Nämlich für die Investoren!

7. Zusammenfassung

Wir fassen noch einmal zusammen:

Wer braucht eigentlich diese Planung? Eigentlich so richtig niemand, außer der Investor, der sich daraus einen Gewinn verspricht.

Wer macht hier eigentlich Stadtplanung? Viele sind - wie immer - beteiligt, und das ist gut so. Aber das heißt nicht, dass es nicht doch Verantwortliche gäbe.

Wo ist was schiefgelaufen, und hätte man etwas "besser" machen können? Viel eher hätte man die Bürgerinnen und Bürger einbeziehen müssen. Der Bezirk hätte vor allem gegenüber dem Investor eine „planungsaktive" Position einnehmen müssen. Summa summarum hat man sich auch hier wieder einmal zu stark in die Hände einer reaktiven Investorenplanung begeben. Berlin braucht Qualität statt Quantität!