Uwe Altrock / Juliane Martinius

Editorial

Eine neue Planungszeitschrift, wozu? Die Planungsrundschau versucht, im deutschsprachigen Raum eine Lücke im Spektrum der bestehenden Zeitschriften zu schließen, indem sie ihren besonderen Schwerpunkt auf den Bereich der Planungstheorie legt. Um dies deutlich zu machen, ist ein kurzer Blick auf den Begriff von Planungstheorie vonnöten, der unter Planern, Architekten, Geographen, Politikwissenschaftlern, Soziologen und anderen planerisch relevanten Professionen unter Umständen unterschiedlich verstanden, bisweilen mit mathematisch-quantitativen Modellen der Entscheidungsfindung assoziiert und schwer verständlichen verstiegenen Gesellschaftstheorien in Zusammenhang gebracht wird. Dieses Verständnis von Planungstheorie geht auf die Anfänge des Felds in Deutschland vor etwa 30 Jahren zurück, doch der Begriff hat sich inzwischen stark gewandelt. Er bezeichnet - vereinfacht gesprochen - die Untersuchung des Stellenwerts von Planung in der Gesellschaft und hat damit vielfältige Säulen, z.B. in der lokalen Politikforschung, der Planungsgeschichte, den Verwaltungswissenschaften, der Entscheidungstheorie, der Methodologie und der Professionsforschung. Planungstheorie lässt sich vielleicht am ehesten umreißen mit der Frage „Wie wird Planung unter verschiedenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von wem mit welchen Motiven und welchen Erfolgschancen betrieben?".

Tatsächlich spielt der Überschneidungsbereich verschiedener Gesellschaftswissenschaften mit der räumlichen Planung in deutschen Planungszeitschriften bisher eine geringe Rolle. Ansätze bestehen, doch von einer systematischen Reflexion oder einem Forum kann kaum gesprochen werden. Auf der anderen Seite bestehen international einige etablierte Zeitschriften, die trotz der Anglifizierung des deutschen Wissenschaftsbetriebs unter kritischen Planern kaum zur Kenntnis genommen werden, und die in ihrer Vielfalt auch gar nicht verfolgt werden können. An dieser Stelle sollen stellvertretend nur "Planning in Theory and Practice", "Planning Practice and Research", "Urban Affairs Review", "International Journal of Urban and Regional Research", "Urban Studies", "Local Economy und Progress in Human Geography" genannt werden. Die Planungsrundschau möchte hier dazu beitragen, die in diesen Zeitschriften dokumentierten Erkenntnisse besser für eine deutschsprachige Leserschaft zugänglich zu machen („Rundschau").

Überdies ist es Ziel der Zeitschrift, eine Plattform für die wissenschaftlichen Aktivitäten des Instituts für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin zu bieten. Dieses Institut, das als eines der wenigen in Deutschland einen Vollstudiengang „Stadt- und Regionalplanung" - neben einem Studiengang „Landschaftsplanung" an der gleichen Fakultät - anbietet und mit einem Fachgebiet „Planungstheorie" einen originär planerischen gesellschaftswissenschaftlichen Zusammenhalt und Hintergrund anbietet. Dieses Fachgebiet ist zugleich Initiatorin und Heimat der „Planungsrundschau". Das Institut, das häufig dafür gescholten worden ist, sich zu wenig in die planerische Debatte außerhalb der eigenen Wände „einzumischen", versucht durch die Zeitschrift deutlich zu machen, auf welchen Feldern es wissenschaftlich arbeitet und welche Resultate dabei entstehen („Beiträge").

Doch „Einmischung" im Sinne der lokalen und regionalen Politikforschung hat noch eine weitere Seite: Berlin und sein Verflechtungsraum als eine der bedeutendsten deutschen großstädtischen Agglomerationen - und nun auch noch Bundeshauptstadt - ist Schauplatz einer Fülle planerischer Entwicklungen und Projekte, die zwar viel diskutiert, aber dabei selektiv medial wahrgenommen werden, so dass vor lauter partei- und architekturpolitischen Debatten eine kontinuierliche Begleitung und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den realen Entwicklungen vor der Haustür des Instituts für Stadt- und Regionalplanung bisher wohl zu wenig stattfindet. Auch in diese Lücke will die „Planungsrundschau" stoßen („Aus der Fachwelt", „Berliner Planungsgeschehen").

Aus diesen Schwerpunkten speist sich ein Medium, das zunächst online verfügbar sein wird und nach einer Anlaufphase im Quartalsturnus erscheinen soll. Druckfassungen sind ebenfalls in Vorbereitung. Durch die Form ergibt sich die Möglichkeit der interaktiven Auseinandersetzung in einem Diskussionsforum, in dem die behandelten Themen vertieft werden können. Überdies will die Zeitschrift ein Archiv für Rezensionen, wichtige und schwer zugängliche Materialien usw. bieten. Einer Übersendung solcher Materialien und inhaltlicher Beiträge von Außenstehenden sehen wir mit Neugierde und Spannung entgegen.

Um dem oben beschriebenen Profil gerecht zu werden, sollen planungstheoretisch relevante Beiträge aus dem Institut für Stadt- und Regionalplanung oder von Gastautoren sowie weitere Beiträge über die Forschungs- oder Praxistätigkeit des Instituts hier veröffentlicht werden. Daran schließen sich kritische Analysen des deutschen und des Berliner Planungsgeschehens an, die nicht die Aktualität einer Tages- oder Wochenzeitung erreichen können und dabei vor allem auf bisher möglicherweise unterbelichtete Themen hinweisen wollen. Ausgewählte, besonders interessant erscheinende Artikel aus internationalen Zeitschriften sollen in Form von Review-Artikeln in zusammenfassender Form behandelt werden.

Die erste Ausgabe spannt mit zwei zusammengefassten Beiträgen aus „Urban Affairs Review" einen breiten Bogen von der Verwaltungsreform und der lokalen Governance-Forschung über Mediationsverfahren bis hin zum Thema Bodenwertsteuer. Christian Diller zeigt in einer Untersuchung über Mediationsverfahren, dass die vieldiskutierte These von der zunehmenden Bedeutung informeller Planungskooperationen überraschenderweise zu differenzieren oder sogar teilweise zurückzunehmen ist. Guido Spars weist nach, dass die Bodenwertsteuer ein adäquates Instrument der Bodenpolitik ist, das Planungsgewinnabschöpfungen und anderen alternativen Instrumenten vorzuziehen ist.

Berlin erlebte im Frühjahr und Sommer 2000 teilweise heiß diskutierte Planungsereignisse. Einen Paukenschlag bildete im Frühjahr der Frontalangriff von Dieter Hoffmann-Axthelm auf den Denkmalschutz, der eine Debatte in den Feuilletons der Tages- und Wochenzeitschriften auslöste, hier aber von Uwe Altrock vor allem im Hinblick auf die unzulängliche Methode des für die bündnisgrüne Fraktion des Bundestags erarbeiteten Gutachtens untersucht wird. Na ja, und dann kam Urban 21! Eine pompös angekündigte Weltkonferenz unter Beteiligung von Vertretern bedeutender internationaler und nationaler Organisationen, die vorgab, die Lösung für die urbanen Probleme im 21. Jahrhundert zu wissen, aber auf breiter Front in einem Angriff lobbyistischer Beschwörungsformeln enttäuschte. Uwe Altrock und Juliane Martinius versuchen, Hintergrundinformationen über den umstrittenen zugrundeliegenden Weltbericht zu liefern und durch Interviews mit Vertretern verschiedener internationaler Institutionen die Breite der derzeit diskutierten Lösungsansätze ein wenig nachzuliefern, die in der Konferenz selbst unterzugehen schien.

Nach den Abgeordnetenhauswahlen vom letzten Herbst hatte das Jahr mit der komplizierten Wiederauflage der Großen Koalition begonnen. Die lange erwartete Zusammenlegung der Senatsressorts für Bauen, Wohnen, Verkehr, Umwelt und Stadtentwicklung boten Anlaß genug für Uwe Altrock und Juliane Martinius, in einer Serie von Interviews mit Planungswissenschaftlern der TU und der HU Berlin, unter ihnen Dietrich Henckel, Rudolf Schäfer und Hartmut Häußermann, dem Programm der neuen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und ihren Startbedingungen auf den Grund zu gehen. Bereits seit längerer Zeit schwelt eine Debatte über den Umbau des Stuttgarter Platzes in Berlin-Charlottenburg, die im Frühjahr einige Turbulenzen zwischen einer Bürgerinitiative, dem Bezirk und dem Investor auslösten, an denen das Institut nicht unbeteiligt waren und denen mit Ursula Flecken und Juliane Martinius zwei Beobachterinnen aus dem Institut bilanzierend nachgehen. In den Frühsommer fiel die mit Spannung erwartete Eröffnung des Sony-Centers am Potsdamer Platz, die vom Institut für Sozialwissenschaften an der TU Berlin in einer Tagung auf die Relevanz für die Debatte um Urban Entertainment Centers geprüft wurde. Uwe Altrock versucht, die diesbezügliche Vielstimmigkeit der Fachwelt einzufangen und einzuschätzen.

Die erste Ausgabe der Planungsrundschau liegt nunmehr vor - wir hoffen auf zahlreiche Kommentare und Anregungen und hoffen, dass sie vielfältige und nutzbringende Informationen, Kommentare und Debatten bietet.